Bochum. Das Theater der Gezeiten ist ein Fixpunkt der Freien Szene in Bochum. Die Mini-Bühne will sich weiter als „Literaturtheater“ profilieren.

Im Theater der Gezeiten ist Vieles in Bewegung gekommen. Die kleine Bühne in der Speckschweiz in Bochum will in den nächsten Wochen und Monaten ihr Profil als „Literaturtheater“ weiter schärfen. Die Chancen dazu stehen gut.

Bochums wohl kleinste Bühne

Genau zwei Jahre ist es her, dass der Theatergründer Benno Boudgoust im Alter von 71 Jahren starb. Nach Bennos Tod, der ein Verlust für die gesamte Bochumer freie Szene darstellte, begann im Februar 2018 der Neuanfang auf Bochums wohl kleinster Bühne, die in einem ehemaligen Lokal an der Schmechtingstraße zu Hause ist.

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Organisatorisch, finanziell, inhaltlich musste man sich neu aufstellen. Angeführt von dem Schauspieler Giampiero Piria, schulterte das „Gezeiten“-Kollektiv die Aufgabe. „Inzwischen ist eine gewisse Konsolidierung eingetreten, und wir blicken mit Elan nach vorn“, sagt Piria. Mit dem Schwerpunkt „Lyrik“ möchte man ein Alleinstellungsmerkmal fortschreiben.

Der Begriff „Lyrik“ wird weit gefasst

Dabei wird der Begriff nicht zu eng gefasst. Denn „Lyrik“ umfasst für Piria sowohl die Verse des russischen Dichters Daniil Charms als auch die Pop-Literatur; so huldigt er in seinen von Live-Musik begleiteten Programmen dem Songpoeten Leonard Cohen ebenso wie dem unvergessenen „Lizard King“, Jim Morrison. Der charismatische Sänger der „Doors“ – mit Texten wie „The End“ oder „Riders on the Storm“ – ist die zentrale Figur in Pirias nächstem Solo.

Über das Theater

Das Theater der Gezeiten in der Schmechtingstraße 38-40 vereint Künstlerinnen und Künstler aus Sprechtheater, Tanz, Performance, Bildender Kunst und Musik.

Es wurde 1995 unter der künstlerischer Leitung von Benno Boudgoust (†) gegründet und entwickelt seine Projekte aus einer Synthese von Rede, Musik, Videokunst und Tanz.

Info: https://theaterdergezeiten.de/

Eher überraschend kam vor einigen Wochen eine weitere Spielart auf die kleine Bühne zu: „Ich hatte eine Anfrage von Singer/Songwritern, die gerne im Theater der Gezeiten auftreten wollten“, erzählt Piria. Gesagt, getan. Mit großem Erfolg. „Der Auftakt am 7. Februar mit drei Künstlern war ausverkauft, es herrschte eine familiäre Atmosphäre wie beim Woodstock-Festival“, schwärmt der Theaterleiter. Daher soll es mit dem „Liedermaching“ weiter gehen; die nächste Runde wird am 7. März eingeläutet, wieder mit drei Live-Künstlern.

Figurentheater findet regelmäßig statt

50 Zuschauer fasst das Theater, dann ist es dort aber auch schon so richtig eng. Etwas über 50 Abend-Vorstellungen werden pro Jahr gestemmt, dazu kommen die Termine mit der Figurenspielerin Desiree Baier alias „Daisy Blau“. Sie finden auch in den Vormittagsstunden statt, hier sind viele Kinder mit ihren Eltern zu Gast, um sich von Baiers fantasievoller Kunst verzaubern zu lassen – etwa, wenn sie das Märchen von der „Kleinen Meerjungfrau“ skurril verfremdet.

Urgestein der Ruhrgebiets-Szene: Theaterleiter Giampiero Piria steht seit 30 Jahren als Schauspieler/Regisseur auf der Bühne.
Urgestein der Ruhrgebiets-Szene: Theaterleiter Giampiero Piria steht seit 30 Jahren als Schauspieler/Regisseur auf der Bühne. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Man habe sich inzwischen ein gewisses Stammpublikum erarbeitet, auch über das Künstlerische hinaus: „Wir wollen eine gute Aufenthaltsqualität bieten“, sagt Piria. Aktivitäten der Stadtteilinitiative Hamme finden ebenso im Theater der Gezeiten statt wie Treffen des SPD-Ortsvereins. Der große Tresen neben dem Bühnenraum fungiert problemlos als kommunikative Anlaufstelle für das Hammer Umfeld.

„Das Publikum fühlt sich ernst genommen“

Bezahlt wird im Theater der Gezeiten übrigens nach Gusto; auch an der Theke. Auf feste Eintritts- und Getränkepreise wird grundsätzlich verzichtet, jeder gibt, was er für richtig hält. Das klappe erstaunlich gut, die Einnahmen hätten sich durchaus nicht verringert, sagt Giampiero Piria: „Das Publikum fühlt sich ernst genommen, und wir leisten einen Beitrag zur kulturellen Partizipation auch von Menschen, die sich einen Theaterbesuch sonst nicht leisten könnten.“

Sowieso gehe es dem Theater der Gezeiten nicht bloß ums Geld. „Wir wollen, dass die Leute gerne wiederkommen!“

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