Bochum-Gerthe. Das Erzählcafé mit wechselnden Referenten macht eine Tour durch Bochum. Erster Stopp: Das Teehaus in Gerthe zum Thema „Schule im Wandel“.

Es gibt Dinge, die rufen automatisch Erinnerungen wach. Alte Kirchenlieder, Küchengerüche oder das Klacken einer Nähmaschine zum Beispiel. Peter Schneller, einst Leiter des Schulmuseums, hat eine Kiste voller Gegenstände, die Erinnerungen vor allem zu einem Thema wecken: Zum Thema Schule.

Zum Erzählcafé, welches ursprünglich immer in der Pauluskirche in der Innenstadt stattfand, nun aber auf Tour geht, hat er seine Kiste mitgebracht. Die Café-Idee ist immer noch dieselbe: Wechselnde Referenten erzählen einem offenen Publikum über ein Thema oder über ihr Leben und halten so Erinnerungskultur wach: Als Schneller eine 90 Jahre alte Schiefertafel aus dem Fundus des Schulmuseums mit Holzrahmen hervorholt, geht ein Raunen durch das Erzählcafé, begleitet von Rufen wie ,,Das kenne ich auch noch!“.

Das Schreiben auf Wachstafeln

Sofort kommen Gespräche am ersten Veranstaltungsort, dem Teehaus in Gerthe, auf: Wofür brauchte man den Holzrahmen überhaupt? Worauf hat man zuvor geschrieben? Als ehemaliger Leiter der Schulmuseums weiß Schneller die Antworten: „Bis vor 300 Jahren haben Kinder auf Wachstafeln geschrieben“, erklärt er und reicht ein Ansichtsexemplar herum.

Der Holzrahmen habe fortan Schutz vor dem Zerbrechen der Schieferplatten geboten. Beim Anblick des Griffels erinnert sich Martina Leon: „Als ich Anfang der 60er Jahre gemeinsam mit drei Freunden eingeschult wurde, sollten die katholischen Kinder auf Tafeln schreiben und die evangelischen Kinder auf Papier.“ Am Ende hätten dennoch alle Freunde ein Täfelchen bekommen und Mutter Metis Leon habe jedem einen Lappen genäht. Auch Metis Leon weiß das noch und erinnert sich außerdem: Als junge Schülerin durfte sie wegen ihrer schönen Handschrift das Tintenfass des Lehrers tragen.

Vergleich zwischen früher und heute

Erzählcafé, das heißt nicht nur in Erinnerungen schwelgen, sondern zugleich auch Neues lernen. Beispielsweise, dass Bauern- und Handwerkerkinder erstmals 1710 unter König Friedrich zur Schule gehen konnten und die Schulpflicht seit 1919 gilt. „Die Zeiten von heute sind nicht mit früher zu vergleichen“, ist sich Brigitte Hoffmann sicher. Schon die Generation ihres Sohnes habe nicht die Strenge der vorangegangenen Jahrgänge erfahren.

„In meiner Zeit wurden Schüler noch geschlagen“, sagt sie. Peter Schneller kann das bestätigen. „Der Zeigestock wurde oft zweckentfremdet“, sagt er und zeigt den dünnen Holzstab. Die Besucher finden schnell weitere Unterschiede zwischen heute und früher: Technikeinsatz, die Bedeutung von Ordnung, Geschlechtertrennung oder Lehrpläne.

Kleid und Matrosenhemd

Einen weiteren zeigt Peter Schneller mit dem Foto einer Bochumer Lehrerin aus dem Jahr 1914. „Das war Fräulein Kothe“, sagt er und deutet auf die Frau im langen schwarzen Kleid. „Kleid war Pflicht. Für die Jungen war ein Matrosenhemd typisch“, erklärt Schneller. Dass man als Lehrer studiert haben musste, sei vor etwas über 100 Jahren noch nicht üblich gewesen. „In Werne gab es im 19. Jahrhundert sogar einen Lehrer, der selbst nicht lesen und schreiben konnte. Das habe ich in den Aufzeichnungen entdeckt“, informiert Schneller.