Bochum. Kann Alzheimer künftig nachgewiesen werden, bevor die ersten Symptome auftreten? An der Ruhr-Uni Bochum wird an einem neuen Bluttest gearbeitet.

An der Ruhr-Universität wird ein neuartiger Bluttest entwickelt, der zum frühest möglichen Zeitpunkt eine Alzheimer-Erkrankung nachweisen soll. In klinischen Studien habe sich das Verfahren bewährt, berichtet der Bochumer Biophysiker Prof. Klaus Gerwert. In zwei bis drei Jahren könnte der Test für alle Patienten zugelassen werden.

Alzheimer gilt als häufigste Demenz-Erkrankung, unter der aktuell in Deutschland 1,7 Millionen meist ältere Menschen leiden. Jedes Jahr werden etwa 300.000 neue Demenzerkrankungen diagnostiziert. Zwei Drittel davon werden Alzheimer zugerechnet. In Bochum geht die Alzheimer-Gesellschaft von knapp 8000 Betroffenen aus. Tendenz in einer immer älter werdenden Gesellschaft: stark steigend.

Alzheimer-Forschung in Bochum: Früherkennung erhöht Behandlungschancen

Der Gedächtnisverlust ist derzeit nicht heilbar. „Vielversprechende Medikamente scheitern in klinischen Versuchen. Es wird vermutet, dass Alzheimer zu spät erkannt wird, sodass das therapeutische Fenster bei der heute üblichen Diagnosestellung bereits geschlossen ist“, sagt Prof. Gerwert vom Lehrstuhl für Biophysik an der Ruhr-Universität. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wird Alzheimer früher entdeckt, könnten die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung steigen.

Genau daran wird am 2019 eingeweihten Zentrum für molekulare Proteindiagnostik (ProDi) an der Ruhr-Universität gearbeitet. Partner in dem Projekt ist das University Medical Center Amsterdam. Gemeinsames Ziel: einen Bluttest marktreif zu machen, der Alzheimer aufspürt, bevor sich die ersten Symptome zeigen. Dazu dient in Bochum ein „Immuno-Infrarot-Sensor“. Er erkennt auffällige Strukturveränderungen von Biomarker-Proteinen im Blut, die für Alzheimer typisch sind. In Amsterdam soll ein ergänzender Abgleich – die sogenannte Elisa-Technologie – die Aussagekraft über eine mögliche Erkrankung erhöhen. „Die Kombination der beiden Bluttests zusammen mit weiteren Risikofaktoren soll die Genauigkeit noch weiter verbessern“, teilt die Ruhr-Universität mit.

Das Zentrum für Proteinforschung auf dem Bochumer Gesundheitscampus wurde 2019 eingeweiht.
Das Zentrum für Proteinforschung auf dem Bochumer Gesundheitscampus wurde 2019 eingeweiht. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Studie mit Partnern in Holland weckt Hoffnung

Die bisherigen Ergebnisse machen den Projektteilnehmern Mut. Seit sechs Jahren läuft in Holland eine Studie. 200 auch jüngeren Menschen, die bei sich subjektiv Anzeichen von Alzheimer wahrgenommen haben wollen, klinisch aber nicht als erkrankt gelten, wurde direkt bei der Eingangsuntersuchung Blut abgenommen. Die Analyse erfolgt in Bochum. Mithilfe der Tests wollen die Forscher vorhersagen, welche Probanden tatsächlich an Alzheimer erkranken. Gerwert: „Mehr als zehn Prozent sind erkrankt: eine Quote, die deutlich über den üblichen Fallzahlen liegt.“ Das könnte darauf hinweisen, dass die Bluttests in der Tat funktionieren.

Forschungsprojekt ist gesichert

Finanziell ist die Fortführung des zweijährigen Forschungsprojekts an der Ruhr-Universität gesichert.

Die gemeinnützige Alzheimer-Forschungs-Initiative (AFI) unterstützt die Studie mit 50.000 Euro.

Weitere 50.000 Euro kommen vom niederländischen Kooperationspartner der AFI.

„Wenn die ersten Symptome auftreten, der Patient zum Beispiel eine Uhr nicht mehr korrekt zeichnen kann, gibt es kaum eine Chance auf Therapie“, sagt Gerwert und zeigt sich im WAZ-Gespräch überzeugt, dass der Frühtest medizinisch sinnvoll und nachhaltig ist: „Das wäre eine Zäsur. Davon müssen wir auch die Pharmafirmen überzeugen und Investoren suchen, die uns dabei unterstützen, aus unserem experimentellen Prototypen ein routinemäßiges Screeningverfahren zu entwickeln.“

Für neue Medikamente werden Tests benötigt

Die Zeit drängt, so der Mediziner. Bekomme das Alzheimer-Medikament Aducanumab oder ein anderes vielversprechendes Mittel die erwartete zeitnahe Zulassung, werde ein Bluttest dringend benötigt, um die Risikopersonen früher als bisher möglich zu identifizieren. Ein womöglich entscheidender Schritt im Kampf gegen das Vergessen.

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