Bochum. In Bochum streitet eine 52-jährige Frau mit Parship. Sie war sechs Tage Mitglied. Dennoch soll sie fast einen kompletten Jahresbeitrag zahlen.
„Alle elf Minuten verliebt sich ein Single über Parship“, lautet der Werbespruch der Online-Partnervermittlung. Eine Bochumerin zählt nicht zu den Glücklichen. Im Gegenteil: Erbost ist die 52-Jährige über das Finanzgebaren der Flirt-Vermittler. Obwohl sie nur sechs Tage Mitglied war, soll sie 263 Euro bezahlen. Verbraucherschützer sprechen von „überzogenen Forderungen“. Parship verteidigt das Vorgehen und spricht von einem berechtigten „Wertersatz“.
„Das probier ich mal aus“: Am 23. November 2019 schließt Katrin Bauhoff (Name von der Redaktion geändert) eine „Premium-Mitgliedschaft“ bei Parship ab. Laufzeit: zwölf Monate. Die Büroangestellte hofft auf eine neue Liebe – und wird enttäuscht. Mit zwei der vorgeschlagenen Männern habe sie hin- und hergeschrieben. Zu einem Treffen sei es nicht gekommen. „Ich merkte schnell: Das ist nicht mein Ding“, sagt sie im WAZ-Gespräch.
Ärger mit Parship in Bochum: „Wertersatz“ wird fällig
Nach sechs Tagen, am 28. November, schreibt Katrin Bauhoff an Parship, dass sie fristgemäß von ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch macht. Es gilt 14 Tage nach Vertragsabschluss, ohne Begründung. Zugleich bittet sie um Rücküberweisung von zwei Dritteln des ersten Monatsbeitrags in Höhe von 23,45 Euro (danach sind es 40,90 Euro).
Doch statt einer Rückzahlung sieht sich die Bochumerin einer Zahlungsaufforderung gegenüber. Und die ist happig. Zwar erkennt Parship den Widerruf an und meldet Katrin Bauhoff aus dem Portal ab, verlangt aber 263,23 Euro. Grund: Vom ersten Tag an habe die Kundin Zugriff auf alle freigegeben Fotos und die vollständige „Interessentenliste“ gehabt. Fünf der sieben für die Laufzeit garantierten Kontakte seien zustande gekommen. Daraus errechnet Parship einen „Wertersatz“ von 286,68 Euro. Der erste, schon eingezogene Monatsbeitrag wird abgezogen. Bleiben 263,23 Euro, zahlbar innerhalb der nächsten 14 Tage.
Unternehmen bekräftigt seine Forderung
Katrin Bauhoff denkt nicht daran. „Den vollen Monatsbeitrag hätte ich mir ja noch gefallen lassen. Aber doch nicht so viel mehr!“ Sie hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Parship hält an der Forderung fest, droht in der letzten Mahnung im Januar bereits mit einem Inkasso-Unternehmen.
Auf WAZ-Anfrage bekräftigt Parship-Sprecherin Jana Bogatz: „Wer eine Premium-Mitgliedschaft kauft, bekommt eine Mindestanzahl an Kontakten garantiert. Wir stellen sicher, dass jeder vorgeschlagene Kontakt (...) besonders gut zum jeweiligen Mitglied passt – also beste Chancen auf die große Liebe bestehen. Das ist die Kernleistung unseres Services. Und das ist der Grund, weshalb wir für bereits entstandene Kontakte Wertersatz berechnen.“ Diese Regelung diene vor allem dazu, „unsere Mitglieder vor massenhaft versendeten, unpersönlichen E-Mails und Enttäuschungen durch halbherzige, kurzfristige Kontakte zu schützen“.
Verbraucherberater: Viele Ex-Kunden haben Recht bekommen
Ist der Wertersatz von bis zu 75 Prozent des Jahresbeitrags rechtens? Der Betreiber von Parship, die PE Digital GmbH in Hamburg, verweist auf ein Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts zugunsten der Partnerbörse. „Derzeit wird diese Frage erneut durch den Bundesgerichtshof beurteilt. Es liegt auch in unserem Interesse, diese Rechtsfrage zu klären. Bis dahin halten wir an unserer Rechtsauffassung fest.“
Verbraucherzentrale rät zur Vorsicht
Mit geschätzten 4,5 Millionen Mitgliedern und einem Jahresumsatz von mehr als 125 Millionen Euro gehört „Parship“ zu den Marktführern bei den Online-Börsen in Deutschland. „Elite Partner“ zählt gleichfalls zu dem Hamburger Unternehmen.
Die Verbraucherzentrale NRW rät bei Partnervermittlungen grundsätzlich zur Vorsicht: „In den Geschäftsbedingungen verbergen sich oft versteckte Kosten“ – etwa bei Probe-Abos: „Sie werden günstig angeboten. Im Nachhinein müssen Verbraucher aber mit Erschrecken feststellen, dass sich das Probe-Abo nach Ablauf automatisch um sechs oder zwölf Monate zu einem weit höheren Preis verlängert hat.“
Die Verbraucherzentrale Hamburg entgegnet: „Das Vorgehen ist unzulässig.“ Ebenso wie die Stiftung Warentest raten die Verbraucherschützer zu einer Klage. Den meisten betroffenen Ex-Kunden sei in den vergangenen Monaten Recht zugesprochen worden. Mehrere Anwälte haben sich inzwischen auf Parship spezialisiert und berichten gleichfalls von fast ausschließlich gewonnenen Klagen. Derweil betont die Verbraucherzentrale NRW: „Das Kleingedruckte vorher genau lesen. Wer ein Hunderte Euro teures Jahresabo schon nach wenigen Tagen widerruft, kommt nicht unbedingt kostenlos aus der Sache raus.“
52-Jährige hat auch ohne Parship einen Partner gefunden
Genau davor will Katrin Bauhoff die Singles warnen: „Ich war vorher ahnungslos. Schaut nicht nur auf die Werbung!“ Ihr Rechtsstreit mit Parship hält an. Ein großer Wunsch der Bochumerin ist unterdessen in Erfüllung gegangen. Sie hat einen neuen Partner gefunden. Ganz konventionell. Ohne das Internet.
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