Bochum-Werne. Der riesige, rote Gasometer der Kokerei Robert Müser prägte lange das Stadtbild von Bochum-Werne. Vor 40 Jahren wurde der Stahlkoloss abgerissen.

Wer in den 1970er Jahren nach Bochum-Werne kam, kann sich an den Anblick gut erinnern: Gleich nach Passieren der großen Eisenbahnbrücke fiel der Blick in Höhe Rüsingstraße auf den großen, rostroten Gasometer, der die Dächer der Häuser überragte. Weiter den Werner Hellweg entlang, zog der stählerne Koloss rechts am Autofenster vorbei, bevor er, matt in der Sonne schimmernd, im Rückspiegel kleiner wurde und schließlich verschwand.

Turm wurde scheibchenweise abgetragen

Der markante Gasometer war Teil der Kokerei Robert Müser und gehörte so zwingend zum Werner Stadtbild wie die Fördergerüste der gleichnamigen Zeche. Vor 40 Jahren, zum Jahreswechsel 1979/80, wurde das letzte Stündlein des Industrie-Giganten eingeläutet, die Vorbereitungen für den Abriss begannen. Im Mai 1980 wurde der wohl 40 Meter hohe Turm schließlich scheibchenweise abgetragen. Es war ein leiser Abriss, keine Sprengung, keine großen Absperrungen. Erst als das „Ding“ weg war, wusste man in Werne, was verloren gegangen war.

Verloren gegangen war nichts weniger als ein gewichtiges Stück Orts-Identität, denn „Robert Müser“ hatte diese über Jahrzehnte als Arbeitsstätte und Wirtschaftsmotor geprägt. Das Großbergwerk war 1929 durch Zusammenlegung verschiedener Gruben entstanden. In den 60er Jahren waren hier mehr als 4.000 Kumpel angelegt, 1,5 Millionen Tonnen Kohle wurden gefördert. Dazu kamen fast 875.000 Tonnen Koks.

Die Bahnlinie als Sperre zwischen Zeche und Wohngebiet

Südwestlich des Schachtes Arnold, dessen grünes Fördergerüst heute noch steht, befanden sich die Übertage-Anlagen mit Zechenbahnhof, Kohlenwäsche, Kraftwerk und eben der Kokerei samt Ammoniakgewinnung und dem 125.000 m³ fassenden Gasometer. Das Zechengelände zwischen Werner Hellweg und Von-Waldthausen-Straße reichte bis zur Bahnlinie, die nach wie vor eine Sperre zwischen der Wohnbebauung und der auch nach über 50 Jahren brach liegenden Fläche der ehemaligen Kokerei bildet.

Wenn man heute den Anemonenweg in Richtung Sportplatz entlang spaziert, kann man sich gedanklich in jene fernen Zeiten zurückversetzen, als die Schlote noch rauchten. In Höhe der letzten Häuser, wo der Pfad durch das Wäldchen entlang der Bahn beginnt, hatte man einst einen unverstellten Blick auf die Kokerei-Anlagen und den Gasometer. Das Foto oben gibt einen guten Eindruck, es entstand während des Baus des Siedlung Anemomen-/Krokusweg um 1957. Die Harpener Bergbau AG ließ die Bergarbeiterhäuser errichten.

Tag und Nacht hingen Rauchfahnen an den Kaminen

Wie oft im Ruhrpott, lagen auch hier in Werne Wohnen und Arbeit dicht beieinander. Wenn man aus dem Fenster schaute, waren die Zechenkamine, an denen Tag und Nacht eine schwarze Rauchfahne hing, ein gewohntes Bild. Beim Spielen draußen gehörte für die „Blagen“ der schweflige Gasgeruch der Kokerei so selbstverständlich dazu wie die Staubwolke, die sich alle halbe Stunde in die Lüfte erhob, wenn in den Batterien hinter dem Bahndamm der Koks gedrückt wurde. Filteranlagen waren in den 60er Jahre noch nicht sehr verbreitet.

Blick auf die Kokerei und den Gasometer, die Aufnahme 1957 entstand etwa auf Höhe des Sportplatzes Anemonenweg. Der eben gedrückte Koks wird mit Wasser abgelöscht.   
Blick auf die Kokerei und den Gasometer, die Aufnahme 1957 entstand etwa auf Höhe des Sportplatzes Anemonenweg. Der eben gedrückte Koks wird mit Wasser abgelöscht.    © Klartext Verlag. | Josef Stoffels

Die alten Fotos geben eine Vorstellung von der damals herrschenden Luftverschmutzung. Über die Mikro-Feinstaub-Diskussionen, die heutzutage geführt werden, hätten die Menschen früher müde gelächelt.


Die Stilllegung der Zeche Robert Müser machte dem Dreck, zumindest in Werne, ein Ende. Sie erfolgte zum 31. März 1968.

Schacht Arnold blieb als einziger offen

Sämtliche Schächte wurden verfüllt, bis auf den Schacht Arnold, der zur Wasserhaltung offen blieb. Der Gasometer hatte noch eine zehnjährige Schonfrist, da die stillgesetzte Kokerei Robert Müser schon seit den 1930er Jahren an das Ferngasnetz der Ruhrgas AG angeschlossen war und langfristige Lieferverträge mit der Wittener Glashütte Detag am Crengeldanz bestanden. Das im Gasometer zwischengespeicherte Gas, das für die Beheizung der Glasöfen bestimmt war, kam inzwischen aus anderen Kokereien.

Heute verweist nichts mehr an diese Zeit. Kein Hinweisschild, keine Kohlenlore, keine Erinnerungstafel dokumentiert an dieser Stelle im Ortsbild die Geschichte von „Robert Müser“, diesem für Werne so bedeutenden Bergwerk. Und an den rostroten Gasometer erinnern sich nur noch jene, die in den 70er Jahren nach Werne kamen und seinen imposanten Anblick nie vergessen haben.

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