Bochum. Der Landesverband für Psychiatrie-Erfahrene NRW bietet in Bochum eine Selbsthilfegruppe für 18 bis 35-Jährige. Krisenzimmer gehören zum Angebot.
Es ist weniger als ein Jahr her, da steckte Leilani in einer schweren Krise. Suizidgedanken plagten die 29-jährige Frau, die in der Vergangenheit sexuell missbraucht wurde. Wohin, um nicht alleine zu sein? In Kassel gab es für mich keine Alternative zur Psychiatrie, deshalb bin ich nach Bochum gekommen“, sagt die junge Frau mit dunklem Pferdeschwanz. Denn ihre bisherigen Aufenthalte in der Psychiatrie sind zahlreich, oftmals mit Zwangseinweisungen und schlechten Erfahrungen verbunden.
Landesverband für Psychiatrie-Erfahrene betreibt zwei Krisenzimmer
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Bei der Anlaufstelle des Landesverbandes für Psychiatrie-Erfahrene NRW e.V. (LPE) in Bochum fand Leilani Hilfe: Anderthalb Wochen konnte sie im Krisenzimmer wohnen – einer selbsthilfegeleiteten Alternative zur psychiatrischen Regelversorgung. Aufenthalte von bis zu drei Monaten sind hier möglich.
Betrieben werden die zwei Krisenzimmer von Vereinsmitgliedern. Diese Möglichkeit ist beinahe einzigartig, weniger als fünf solcher Zimmer gibt es deutschlandweit. Noch ein seltenes Angebot zählt der LPE: Eine Selbsthilfegruppe für junge Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung. Seit Ende 2018 treffen sich die Gruppenmitglieder, im Alter zwischen 18 und 35, wöchentlich in den Vereinsräumlichkeiten.
Fokus liegt nicht auf Diagnose
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„Wir sprechen über Erfahrungen, Alltagsprobleme, Psychiatrie und Psychopharmaka. Aber wir kochen auch gemeinsam, spielen Fußball oder singen gemeinsam Karaoke“, sagt Luisa (33), die die Gruppe leitet. Die Baustellen, die die Gruppenmitglieder haben, sind vielfältig: Während Luisa bipolar ist, hat Kristina eine generalisierte Angststörung.
Besonders wichtig ist den Betroffenen: „Wir wollen keinen Stempel aufgedrückt bekommen. Wir sind nicht unsere Diagnose“, sagt Juli (32). Der Fokus in der Gruppe liege deshalb nicht auf der Krankheit. Über die Definition von „psychisch krank“ diskutieren die Gruppenteilnehmer.
„Man fühlt sich hier verstanden, denn wir haben ähnliche Erfahrungen gemacht“, sagt Leilani. Oftmals sind diese negativ, deshalb steht die Selbsthilfegruppe der Psychiatrie kritisch gegenüber: Unterbringungsbeschlüsse, Fixierungen, Medikation mit starken Nebenwirkungen oder Elektroschocks zählen zu den Erlebnissen. „Das sind teilweise entmündigende und gewalttätige Strukturen“, sagt Juli.
Gruppe sucht noch Zuwachs
In der Selbsthilfegruppe will man es deshalb anders machen: „Wir bauen Beziehungen auf und stricken uns unser eigenes Netzwerk“, erklärt Luisa. Beim LPE gäbe es beispielsweise auch eine Psychopharmakaberatung, einen Kunsttreff oder eine Achtsamkeitsgruppe.
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„Man kann auch selbst Themen einbringen. Mich interessiert zum Beispiel, wie man Grenzen setzt“, sagt Kristina. „Hier in der Gruppe kann man alles sagen und wird nicht sofort eingewiesen, wenn man Suizidgedanken äußert. Außerdem habe ich das Gefühl, dass wirklich Interesse am Mitmenschen besteht“, sagt Leilani.
Aktuell kommen 13 Personen zur Selbsthilfegruppe für junge Psychiatrie-Erfahrene, Zuwachs wird noch gesucht. „Dadurch, dass wir in einem ähnlichen Alter sind, ähneln sich auch unsere Lebenswelten und es können auch Freundschaften entstehen“, findet Luisa. Gute Beziehungen zu Mitmenschen – das bleibe wohl eins der besten Mittel für psychisches Wohlbefinden.