Bochum. Nach der Umstellung auf das Netz 2020 gibt es in Bochum weiter Kritik an der Bogestra. Das Nahverkehrsunternehmen schließt Korrekturen nicht aus.
Knapp vier Wochen nach der Einführung des neuen Liniennetzes durch die Bogestra mit geänderten Takten, Haltestellen, neuen Linien und Liniennummern haben sich die Wogen offenbar etwas geglättet. Verstummt ist die Kritik an der Umstellung auf das Netz 2020 indes noch nicht
„Sie haben es geschafft, ein gutes, bestehendes System zu verschlechtern“, heißt es etwa in einem Schreiben eines Bogestra-Kunden vom Mittwoch (8.) an das Nahverkehrsunternehmen, das der WAZ vorliegt. Uwe Hitschler, ein anderer unzufriedener Fahrgast, sagt: „Ich bin überzeugt, dass die Fahrplanreform viele gute Seiten hat. Doch zeigt die Praxis erst, welche Randbedingungen man in diesem Planungsprozess übersehen hat.“
250 Anregungen binnen sechs Wochen
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Etwa 250 Anregungen beziehungsweise Beschwerden in Sachen Netz 2020 sind nach Auskunft der Bogestra seit Ende November bei dem Unternehmen eingegangen. Die meisten (70) beschäftigen sich allgemein mit dem Thema Linienführung, 14 davon allein im Stadtteil Stiepel. Um die Frühfahrten geht es in 45 Fällen. Darüber hinaus haben sich zahlreiche Bogestra-Kunden direkt an Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) gewendet. Und auch bei der WAZ sind mehrere Dutzend Briefe und Mails eingegangen. In diesen werden zum Teil die Vorteile des neuen Netzes gepriesen, oftmals aber auf seine Schwachpunkte hingewiesen.
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Ob und wie Defizite abgestellt werden können, dazu hält sich die Bogestra noch bedeckt. Nachdem noch kurz nach der Einführung des neuen Netzes am 15. Dezember eine erste Änderung vorgenommen wurde, der 356er-Einsatzwagen fährt nun doch einen anderen, weiteren Weg Richtung Neues Gymnasium, hat es keine weiteren Korrekturen gegeben. Und so schnell werden sie offenbar auch nicht kommen. „Wir schauen uns einige Linien jetzt sorgfältig an. Schnellschüsse helfen keinem“, sagt Bogestra-Sprecherin Sandra Bruns.
Es gibt weiterhin Info-Abende
Besonders beschäftigt sei das Unternehmen derzeit mit den Linienführungen von und nach Stiepel und mit den Frühfahrten. Vor allem in den Randlagen Bochums haben die geänderten Linien und Fahrzeiten zu Beeinträchtigungen von Kunden geführt. Ob und wann es Verbesserungen gibt, darüber hält sich die Bogestra bedeckt.
Bochum am stärksten betroffen
Von den täglich 400.000 Kunden der Bogestra im gesamten Betriebsgebiet sind nahezu alle der 140.000 Kunden in Bochum von den Änderungen betroffen. Hier hat es in fast jedem Stadtteil, bei fast jeder Bus- und Bahnlinie Veränderungen gegeben.
Verändert habe sich außerdem Vieles für die ÖPNV-Nutzer in Gelsenkirchen. Bis zu 90.000 Kunden seien dort von den Umstellungen betroffen.
Kaum oder weniger Auswirkungen habe die Umstellung in den anderen Betriebsgebieten – Herne, Hattingen und Witten – mit sich gebracht. Zurückzuführen ist dies auf die Anforderungen, die die Politik an die Nahverkehrspläne der jeweiligen Städte gestellt hat, und an die Mittel, die sie bereitstellt.
Weiter festhalten will sie an der bislang schon umfangreich betriebenen Öffentlichkeitsarbeit, um den Kunden die Änderungen näher zu bringen. So seien für nächste Woche Informationsabende bei den Grünen und bei einer Wohnungsgenossenschaft geplant. In Dutzenden von Veranstaltungen dieser Art haben Beschäftigte seit der öffentlichen Ankündigung der Umstellung im September 2019 informiert.
Politik will sich einschalten
Längst gelandet ist das Thema auch in der Politik. Nahezu alle Parteien im Rat drängen auf Nachbesserungen, haben zum Teil bereits Vorschläge unterbreitet und kündigen Debatten in den nächsten Ausschüssen an. Am Dienstag tagt der Ausschuss für Infrastruktur und Mobilität erstmals in diesem Jahr. Das Netz 2020 dürfte dabei, auch wenn es bislang nur mit einem kleinen Randaspekt auf der Tagesordnung steht, zur Sprache kommen. Bogestra-Kunde Uwe Hitschler sagt: „Es sollte der politische Wille aller Fraktionen sein, Fehler zu korrigieren, also Korrekturen auch wirklich durchzuführen.“
Die Politik spielt bei möglichen Änderungen, vor allem wenn sie neuerliche Kosten verursachen sollten, keine unwichtige Rolle. In einem Schreiben der Bogestra an einen Kunden heißt es: Wir werden die Wirkungen des neuen Liniennetzes jedoch sehr genau beobachten und - in Absprache mit den politischen Gremien - notwendige Anpassungen vornehmen. Für das neue Netz hat die Stadt Bochum bereits in die Tasche gegriffen. Sie hat den jährlichen Zuschuss an die Bogestra um 3,8 Millionen Euro auf 37,9 Millionen Euro angehoben.