Bochum-Innenstadt. Hermann Hußmann wurde von den Nazis in den Selbstmord getrieben. Die Stadt Bochum setzt mit der Straßenbenennung ein Zeichen.

„Mein Mann Karl-Heinz hätte sich sehr über diese Ehrung für seinen Onkel Hermann Hußmann gefreut“, erklärt die Witwe Monika Hußmann. Zu Gast war sie bei der Einweihung der „Hermann-Hußmann-Straße“ am neuen Justizzentrum. Die Straße wurde nach dem Bochumer Bergmann benannt, der als Homosexueller zu den Opfern des Nationalsozialismus geworden war.

Hußmann wurde durch die Bochumer Polizei am 5. Februar 1943 verhaftet und angeklagt, weil der damals 34-Jährige sexuelle Beziehungen zu anderen Männern hatte.

In der Familie Hermann Hußmanns wurde nicht über sein Schicksal gesprochen

Jürgen Wenke (vorne, Projekt Stolpersteine für Homosexuelle) hat das Leben Hermann Hußmanns nachgezeichnet. Mit dabei: Bezirksbürgermeisterin Gabi Spork (r.).
Jürgen Wenke (vorne, Projekt Stolpersteine für Homosexuelle) hat das Leben Hermann Hußmanns nachgezeichnet. Mit dabei: Bezirksbürgermeisterin Gabi Spork (r.). © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Das neue Straßenschild erinnert nun nicht nur an ihn als Opfer der NS-Justiz. Es steht auch stellvertretend für die Verbrechen der Nazis an allen Homosexuellen.

Monika Hußmann erinnert sich, als der Biograph und Mitgründer des Vereins Rosa Strippe, Jürgen Wenke, vor rund zwei Jahren an ihre Tür klopfte. „Da fiel ich aus allen Wolken, weil niemand in der Familie jemals vom Schicksal Hermann Hußmanns erzählt hatte. Da wurde alles unter den Teppich gekehrt“, berichtet sie.

Sie kannte also bis dahin weder Hermann Hußmann noch die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden. Sie wusste auch nicht, dass er sich erhängte, um den Folgen der Verurteilung zu Zuchthaus und Deportation ins Konzentrationslager zu entgehen. Zudem sollte er weitere Homosexuelle denunzieren; seinen Liebhaber verriet er nie.

Jürgen Wenke forscht zu Hermann Hußmann

Bezirksbürgermeisterin-Mitte Gabi Spork (SPD) begrüßte rund 30 Besucher zur Straßenwidmung. Der Bezirk Mitte hatte am 5. Sep­tem­ber 2019 den Beschluss gefasst, Hermann Hußmann mit dem Straßennamen zu würdigen. „Den Standort des Schildes direkt am neuen Justizzentrum finde ich als Mahnung angemessen, da Hußmann Opfer der Justiz in der NS-Zeit wurde.“

Ähnlich sah es auch Dr. Kai Rawe, der neue Leiter des Stadtarchivs Bochum - Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte. „Es ist wichtig, der Opfer zu gedenken, vor allem auch stellvertretend für die zahlreichen Namenlosen, deren Spuren ausgelöscht wurden“, betont er.

Daten zu Hermann Hußmann

20.12.1908: Hermann Hußmann wird am „Mühlental 11“ geboren. Seine Eltern waren der Bergmann Franz Hußmann (1870-1935) und Ehefrau Auguste Karoline Luise Hußmann, geborene Zimmermann (1875-1936). Er war das 7. Kind. Die Familie war katholisch.

Ab 1922: Hußmann geht mit 14 Jahren von der Volksschule in Hofstede ab, die er bis zur 8. Klasse besucht. Danach arbeitet er unter Tage auf der Zeche Constantin der Große, Schachtanlage II. Bis zu seiner Verhaftung war er dort mit zwei Unterbrechungen beschäftigt. Er lebte die ganze Zeit im Elternhaus. 5.2.1943:

Die Bochumer Polizei verhaftet Hußmann nach dem Hinweis eines anderen Inhaftierten. Im Verhör gibt der Bergmann sexuelle Beziehungen zu anderen Männern zu. 10.4.1943: Hußmann wird wegen Sittlichkeitsverbrechen und Vergehen nach §175a angeklagt. Dem Prozess und der Verurteilung entzieht er sich am 11. Mai 1943 durch Selbstmord.

Weitere Informationen zu Hermann Hußmann unter www.stolpersteine-homosexuelle.de.

Das Stadtarchiv sieht er als einen der Orte, die Erinnerung an die Opfer Bochumer Zeitgeschichte zu bewahren. Jürgen Wenke, dessen Forschungen dazu geführt hatten, dass ein Stolperstein am Geburtsort Hußmanns („Mühlental 11“) am 5. November gelegt wurde und nun die neue Straße Hußmanns Namen trägt, übernahm den größten Teil des Festaktes.

Standesamt und Stadtarchiv halfen bei Recherche

Wenke erinnerte an Hermann Hußmann. Er zeichnete dabei den Lebensweg des Bochumers nach: „Sämtliche Verhörprotokolle der Polizei und die Anklageschrift sind noch vorhanden, wenn auch im schlechten Zustand“, wusste er zu berichten. Die Akribie, mit der Daten für diese Anklageakte gesammelt wurden, bis hin zu dessen Liebhaber, erschreckte Mitstreiter im ehrenamtlichen Projekt „Stolpersteine für Homosexuelle“ besonders.

„Die haben nur den Schwerpunkt auf das Sexualleben gelegt. Die Partner- und Freundschaft, um die es auch in solchen Beziehungen vor allem geht, wurde völlig ausgeblendet.“ Wenkes Dank galt der Bezirksvertretung, die „den Schritt gegen Stigmatisierung wagte“, sowie dem Standesamt und dem Stadtarchiv. Letztere halfen, die Daten zu Hermann Hußmann zusammenzutragen. Hiermit ist Bochum nach Dortmund die zweite Stadt, die eine Straße nach einem verfolgten Homosexuellen benennt.