Bochum. Der erste Werktag im neuen „Netz 2020“ der Bogestra verläuft bislang ruhig. Es gibt nur vereinzelt Kritik der Fahrgäste an der Umstellung.

Der erste Werktag nach der Netzumstellung der Bogestra in Bochum zeigt ein positives Bild. Viele Fahrgäste gehen gelassen mit den neuen Linien um. Busse und Bahnen sind häufig pünktlich, vereinzelt gibt es Verspätungen. Also: Alles wie immer.

Fabian Fiebich verteilt als Paperboy verkleidet Informationsblätter der Bogestra im Hauptbahnhof in Bochum.
Fabian Fiebich verteilt als Paperboy verkleidet Informationsblätter der Bogestra im Hauptbahnhof in Bochum. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Die WAZ begleitet den Auftakt am Montag. Reporter sind an den großen Knotenpunkten in Bochum unterwegs. Wir berichten beispielsweise vom Busbahnhof am Hauptbahnhof, vom Bebelplatz in Wattenscheid, vom Marktplatz in Langendreer, und wir stehen vor Schulen und begleiten Fahrgäste im Bus.

In Stiepel und Weitmar-Mark verläuft der Fahrplanwechsel unspektakulär

An der viel frequentierten Haltestellte Kemnader Straße geht es jetzt im 15-Minuten-Takt in Richtung Fachhochschule bzw. in Gegenrichtung nach Wattenscheid, da die angestammte Linie 346 um den Bus 344 ergänzt wurde. Beide fahren dieselbe Route, so dass sich der Takt von 20 auf 15 Minuten verkürzt.

Am Montagmorgen sorgt das für keine große Verwirrung, allerdings muss man sich auf leicht veränderte Abfahrtszeiten einstellen. So fährt der 349er Bus in Richtung Haarstraße/Blankensteiner Straße bzw. in Gegenrichtung Bochum Hauptbahnhof nur noch halbstündig. Das führt dazu, dass man am Umsteigepunkt Königsallee/Markstraße jetzt zehn Minuten Zeit hat, um vom 349er in den 350er zu wechseln, der nun statt der angestammten Linie CE 31 die Königsallee ‘runter in Richtung Innenstadt fährt.

Das Plus nützt allerdings wenig, wenn der 349er, wie meist in den Morgenstunden, bis zu zehn Minuten Verspätung mitbringt.

Bochumerin will wegen des neuen Liniennetzes auf das Auto umsteigen

Routiniert reagieren auch die Fahrgäste am Montagmorgen im 395er Richtung Ruhrpark. Dabei ist die Linie neu und auch der Anbieter. Das Reiseunternehmen Graf aus Herne fährt im Auftrag der Bogestra. „An den Anblick muss ich erst einmal gewöhnen“, sagt Horst Haunert, seit 20 Jahren Bogestra-Kunde und Inhaber einer Monatskarte. Er hat sich im Vorfeld wie viele andere, die an diesem Montagmorgen mit dem 395er fahren, über die Änderungen im Netz informiert. „Mir wurde der Netzplan und eine Broschüre, in der alle neuen Verbindungen stehen, zugeschickt“, so Haunert.

Geändert hat sich für viele Bogestra-Kunden, die in dem 395er sitzen, durch die Umstellung nicht viel. „Ich fahre jetzt bis zur Zeche Constantin, statt vorher bis Riemke Markt, um in die U35 umzusteigen und nach Dortmund zu kommen. Das ist alles“, sagt etwa Anton Sawitski. Für andere hat die Umstellung gravierende Folgen. „Das ist eine Katastrophe”, schimpft eine Bochumerin, die an diesem Montag frei hat, aber von morgen an große Probleme auf sich zukommen sieht. Ihre Linie sei gestrichen worden, sie könne morgens erst um 5.38 statt um 5.12 Uhr fahren und komme jetzt 45 Minuten später zur Arbeit. „Ich habe ein paar Mal die Bogestra angeschrieben und zur Antwort bekommen, ist sollte doch ein Stück laufen.“ Nun macht sie den Führerschein und will dem nächst mit dem Auto zur Arbeit fahren.

Der 395er ist neu im Angebot der Bogestra. Von Herne fährt er über das Hannibal-Center bis zum Ruhrpark.
Der 395er ist neu im Angebot der Bogestra. Von Herne fährt er über das Hannibal-Center bis zum Ruhrpark. © andreas rorowski

Horst Haunert dagegen ist glücklich. „Ich sehe das neue Netz sehr positiv. Jetzt kann ich direkt Richtung Bochumer Stahlwerke fahren und muss nicht mehr umsteigen. Dass ich das noch erleben darf“, sagt der Rentner.

Zumal der Service im Bus ganz groß geschrieben wird. Busfahrerin Hanna Bildhauer hat an diesem Tag einen „Beifahrer“, der sie in die neue Strecke einweist. Die wenige Fahrgäste, die Fragen zum Netz haben, bekommen schnell und kompetent eine Antwort. Und als eine ältere Dame bittet, doch ausnahmsweise an einer Haltestelle aussteigen zu dürfen, an der der 395er nicht hält, macht die Busfahrerin eine Ausnahme. „Eigentlich geht das ja erst nach 20 Uhr“, erklärt sie. Eigentlich.

Bei der Bogestra haben sich derweil die Erwartungen nicht erfüllt – und das im positiven Sinn: „Von einem Riesenansturm, auf den wir uns eigentlich eingestellt haben, kann keine Rede sein“, sagt Sprecherin Sandra Bruns. „Die Kunden haben sich offenbar im Vorfeld mit der Umstellung beschäftigt.“ Am Wochenende habe es im Bogestra-Callcenter noch einmal zahlreiche Fragen wegen konkreter Verbindungen gegeben. Ansonsten sei das Informationsbedürfnis der Kunden an diesem Montagmorgen kaum größer als sonst.

Lob für neue Niederflurbahnen, Kritik an der Route eines Busses

Auch Leonore Spichalski aus Altenbochum ist begeistert: „Mein Mann und ich sind auf den Rollator angewiesen. Die neuen Niederflurbahnen sind super. Die alten hatten Stufen und waren schmaler. Was Besseres hätte uns nicht passieren können. Und mit 45er und 55er kommen wir auch gut zum Bergmannsheil.“

Ilsa Wiegand wartet auf den Bus an der Haltestelle Langendreer Markt. Sie äußert Kritik am neuen Netz.
Ilsa Wiegand wartet auf den Bus an der Haltestelle Langendreer Markt. Sie äußert Kritik am neuen Netz. © FFS | Dietmar Wäsche

Ilsa Wiegand, die auch auf einen Rollator angewiesen ist, indes ist unzufrieden: „Der neue Fahrplan ist nicht schön. Ich bedaure, dass der 45er nicht mehr zum Knappschaftskrankenhaus fährt. Ich müsste zum Lessing-Gymnasium und dort umsteigen oder zur Rudolf-Steiner-Schule und dort über die Straße, um mit dem nächsten Bus weiterzufahren. Aber dort gibt es nirgends Unterstellmöglichkeiten bei Regen. Um wie früher mit dem 45er in die Stadt zu kommen, muss ich ebenfalls zum Lessing, um dort umzusteigen. Die Straßenbahn in die Stadt nehme ich bewusst nicht, weil dort die Aufzüge oft nicht funktionieren.“

Fahrgäste in Bochum reagieren gelassen auf die Umstellung des Netzes

Die Situation am Busbahnhof ist um kurz nach 7 Uhr trotz des Netzes 2020 scheinbar ganz normal. „Warum soll es Probleme geben? Das ist doch alles rechtzeitig in der Presse bekannt gegeben worden“, sagt Petra Braun (49), die zu ihrem Arbeitsplatz in Riemke fährt. „Beim 354er hat sich nur wenig verändert.“

Nur wenige Fahrgäste werfen einen Blick auf die Info-Tafel. Ein Schüler zückt sein Handy und fotografiert den Fahrplan der Linie 349 ab. „Nicht für mich. Für meine Mutter.“

Das Stimmungsbild am Busbahnhof ist eindeutig: Alles halb so schlimm. Zum Leidwesen der nebenan wartenden Taxifahrer. „Wenig los. Ganz normales Montagsgeschäft“, sagt einer der Fahrer. Er weiß nur von einer Netz-2020-Notfahrt. „Eine Frau musste dringend ins Josef-Hospital. Die hatte keine Zeit für Fahrpläne.“

Kundenberater der Bogestra sind nicht zu sehen

Erstaunlich: Zwischen 7 und 7.30 Uhr ist kein einziger der im Dutzenden angekündigten Kundenberater am Busbahnhof zu sehen. Ein Mann mit Bogestra-Jacke gibt vereinzelt Auskunft. „Dabei bin ich Busfahrer.“ Die, kritisiert er im WAZ-Gespräch, seien vor der Fahrplanumstellung nicht gefragt worden. „Dabei wissen wir doch, was los ist, gerade in den Außenbezirken, wo manche Verbindungen schlechter geworden und die Leute sauer sind. Jetzt noch Verbesserungen vorzunehmen, dauert locker vier Monate.“

Busbahnhof, kurz vor 8 Uhr, die erste Schlacht ist geschlagen. Der Busbahnhof leert sich. Die Zeugen Jehovas halten Stellung. „Die Hoffnung bleibt“, steht auf ihrem Schild.

Einsatzbus bringt Kinder und Jugendliche direkt zur Schule

Mit fünf Minuten Verspätung erreichte der Einsatzbus aus Oberdahlhausen die Erich-Kästner-Schule.
Mit fünf Minuten Verspätung erreichte der Einsatzbus aus Oberdahlhausen die Erich-Kästner-Schule. © Michael Weeke

Szenenwechsel: Vor der Erich-Kästner-Schule haben zu dunkler Stunde im Minutenabstand die Busse gehalten. Aus Oberdahlhausen sind Ben und Tim heute morgen zum ersten Mal mit dem neuen Einsatzbus E 09 gekommen.

Der Bus fährt nur einmal und ist die einzige Direktverbindung zur EKS. Er ist um 6.51 (Fahrplan 6.50) abgefahren, zehn Schüler waren in dem Bus, der von der Scharpenseelstraße startete. Er ist mit fünf Minuten Verspätung um 7.30 Uhr an der Schule angekommen. Der extralange Bus füllte sich auf dem Weg quer durch die Stadt, etwa zehn Schülerinnen und Schüler mussten stehen.

Der Unterricht hat um 7.50 Uhr begonnen, also kam der Bus noch rechtzeitig. _Eine 15-jährige Zehntklässlerin der EKS kam ebenfalls noch rechtzeitig an. Sie sagte aber: „An die neuen Zeiten müssen wir uns noch gewöhnen.“

An der Haltestelle Markstraße/Gesamtschule hielten immer wieder auch Pkw. Ein Vater brachte seinen Sohn mit dem Wagen und sagte fast schon entschuldigend: „Die Schule liegt für mich auf dem Weg zur Arbeit, manchmal nehme ich den Sohn mit.“ Sonst habe sich wenig geändert, denn die Familie kommt aus Linden. Mit der Straßenbahn 308 sei die Verbindung wie früher.

Schülerin spart im Normalfall morgens eine Viertelstunde

Viel wurde gemeckert im Vorfeld über das neue Liniennetz. Insbesondere die Anbindung der Schulen stand in der Kritik. „Wir fühlen uns regelrecht abgehängt“, sagte beispielsweise die Leiterin der Carolinenschule, Stefanie Wessel.

Pauline (18) aus Wattenscheid geht zur Carolinenschule. Am Sonntagabend hat sie sich im Netz bei der Fahrplanauskunft über ihre neue Verbindung informiert. „Für mich ist das richtig gut“, sagt die Schülerin. Bislang startete sie mit der Straßenbahnlinie 302, an der Haltestelle Bochumer Verein/Jahrhunderthalle musste sie in den Bus, Linie 388, umsteigen. Gesamtfahrzeit, wenn alles gut lief: 55 Minuten.

Nach dem neuen Plan kann sie etwa eine halbe Stunde später aus dem Haus gehen. Der Bus, Linie 365, fährt jetzt direkt zur Haltestelle Springorum. Die reine Fahrtzeit hat sich für sie um 13 Minuten verkürzt. Sie ist jetzt 42 Minuten unterwegs. Wenn denn alles funktioniert. Bei der Premiere am Montag klappte es noch nicht: Ihr Bus hatte zehn Minuten Verspätung.

Am Info-Center der Bogestra erkundigen sich nur wenige Fahrgäste

Eine junge Frau studiert die neuen Fahrpläne am Bochumer Hauptbahnhof vor dessen Türen der Busbahnhof liegt.
Eine junge Frau studiert die neuen Fahrpläne am Bochumer Hauptbahnhof vor dessen Türen der Busbahnhof liegt. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Zurück zum Hauptbahnhof: Einen unerwartet entspannten Morgen erleben die Mitarbeiter des Info-Centers der Bogestra auf der unteren Ebene des Hauptbahnhofs. „Heute Morgen haben wir nur vereinzelt Kunden, die eine Beratung wünschen“, sagt Teamleiterin Susanne Pawlovsky - im Gegensatz zu den vergangenen vier Wochen, als sich hier zahlreiche Fahrgäste über die neuen Linien und Verbindungen informierten.

Warum im Hauptbahnhof und am Busbahnhof am Montagmorgen keine der angekündigten 100 Kundenberater im Einsatz sind? „Die werden zum Start in den Außenbereichen dringender benötigt als hier, wo es uns als zentrale Anlaufstelle gibt“, sagt Susanne Pawlovsky, während junge Männer mit Kappen und Knickerbocker im Stil von „Paper Boys“ die „Netz News“ der Bogestra an die vorbeihastenden Fahrgäste verteilen.

WAZ sammelt Erfahrungen der Bogestra-Kunden

Die ersten Eindrücke vom Montag zeigen: Das neue Netz der Bogestra scheint in vielen Punkten ein Fortschritt zu sein. Auch zum Start am Sonntag, 15. Dezember, lief alles glatt. Wie immer bei einer so großen Umstellung gibt es Gewinner und Verlierer.

Wer seine Erfahrungen teilen möchte, kann sich an die Redaktion wenden; schriftlich an: WAZ Bochum, Huestraße 25, 44787 Bochum, oder an: redaktion.bochum@waz.de.

Der Fahrplan 2020 der Bogestra: So haben wir bisher berichtet:

> Die Bogestra stellt ihr Streckennetz auf den Kopf

> Schulen fühlen sich von Bogestra-Umstellung abgehängt

> Neuer Bogestra-Fahrplan bringt nicht nur Vorteile

> Bogestra-Fahrplan wirft in Langendreer viele Fragen auf

> Schulleiter spricht von skandalöser Bogestra-Planung

> Reaktionen auf die Netzumstellung

> Bogestra korrigiert Netz 2020 schon an einer Stelle

> 100 Mitarbeiter informieren über die Netzumstellung