Bochum. Dieter Nuhr begeistert bei seinem Advents-Gastspiel im Bochumer Ruhrcongress. 3000 Besucher wollten den wortgewandten Kabarettisten live erleben.

Hurra, wir leben noch: Allen Weltuntergangs-Szenarien zum Trotz - und davon gab es nicht wenige - hat die Menschheit bis heute überlebt. Und nicht nur das: Wir Deutschen sind laut jüngster Post-Studie so glücklich wie noch nie; froh, in einem Land zu Hause zu sein, das nach Definition von Dieter Nuhr „eigentlich ganz okay“ ist.

Just für diese Sicht der Dinge erntet Deutschlands renommiertester Kabarettist immer wieder Prügel. Als verblendeter Nazi und Rechtspopulist werde er in den (a)sozialen Medien ebenso beschimpft wie als „grünversiffter Linker“, erzählt der 59-Jährige am Samstagabend bei seinem schon traditionellen Advents-Gastspiel im ausverkauften Ruhrcongress.

Unverkennbares Grinsen

Sein Grinsen ist unverkennbar. Wer von den Rändern derart massiv attackiert wird, muss in der Mitte allerhand richtig machen.

In der Tat: Dieter Nuhr lässt sich politisch in keine Ecke stellen. Er steckt ein, weil er nach allen Seiten austeilt. Mit Wortwitz und -gewalt räumt er mit dem Irrsinn auf, in dem der Weltenlauf zunehmend versinkt. Spottet über Alexa & Co.: „Wenn die in der DDR gewusst hätten, dass man sich die Wanzen heute freiwillig kauft, nur weil sie chic designt sind.“ Preist den goldenen Boden des Handwerks: „Wie oft bestellen Sie einen Installateur ins Haus – und wie oft einen Islamwissenschaftler?“ Und verspricht seiner „Fridays for Future“-demonstrierenden Tochter, sie nach Kräften zu unterstützen – und im Winter das Kinderzimmer nicht mehr zu heizen.

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Überhaupt: Der Klimawandel ist das Top- und Reizthema des Düsseldorfers. Mal spaßig: „Früher hatten wir ,No Future’, jetzt ,Fridays for Future’ – also schon mal einen Tag mehr.“ Meist ernsthaft, indem er zwar die unbedingte Notwendigkeit eines globalen Umwelt- und Naturschutzes bekräftigt, zugleich aber die deutsche „Symbolpolitik“ geißelt, die er für nicht viel mehr als Populismus hält: „Brasilien vernichtet den Regenwald. Wir verbieten das Silvesterfeuerwerk.“

3000 Besucher im Ruhrcongress Bochum

Die 3000 Besucher sind gespannt. Wie wird Nuhr auf den Shitstorm reagieren, den seine Kritik am Hype um Greta Thunberg ausgelöst hat? Im zweiten Teil gibt es die Auflösung. Tenor: Die Schüler-Proteste seien wichtig und setzten die richtigen Signale. Die letzte Konsequenz der Klima-Kämpfer, die Auflösung des Welthandels, werde aber mehr Not und Elend über die Erde bringen als jeder Klimawandel. „Ich habe nichts gegen Greta“, sagt Nuhr. „Ich glaube nur nicht, dass sie der Messias ist. Das ist Jürgen Klopp.“

Ein Appell an die Toleranz

Es ist der Appell an Toleranz, Gelassenheit und - ja - auch Lebensfreude, der nach zweieinhalb Stunden auf der Schwelle zwischen Comedy und Kabarett nachhallt. Und die Mahnung, all den Hetzern und Schreihälsen Einhalt zu gebieten, die Meinungsfreiheit einfordern und doch blind für jedes Argument außerhalb ihrer eigenen Blase sind.

Diese Mission mit klugem Humor, Esprit und Nachdenklichkeit zugleich auszusenden, versteht Dieter Nuhr nach wie vor meisterhaft.