Bochum. Schauspieler Jens Harzer erinnert im Bochumer Schauspielhaus an den Dichter Arthur Rimbaud. Ein Glanzstück.
Es bleibt ein Rätsel, warum das Bochumer Publikum die Qualitäten des neuen Theaterensembles nicht stärker zu schätzen weiß. Jüngstes Beispiel: die Lesung von Jens Harzer.
Einer der größten Bühnenkünstler unserer Zeit, dem im März der Iffland-Ring testamentarisch von Bruno Ganz verliehen wurde, liest in den Kammerspielen aus den faszinierenden Werken des französischen Dichters Arthur Rimbaud – doch der Saal ist am Freitagabend kaum mehr als ein Drittel gefüllt. Wer dort war, erlebte eine literarische Sternstunde.
Die Bühne in den Kammerspielen ist leergeräumt, nur ein Hocker und eine Flasche Wasser sind darauf zu sehen, nichts soll die Aufmerksamkeit der Zuschauer ablenken. In schwarzem Anzug und mit den stets etwas verstrubbelten Haaren, die er sorgsam aus der Stirn streicht, nimmt Harzer auf dem Schemel Platz und teilt den Stapel Papier, den er dabei hat, sauber in zwei Hälften: eine für jede Stunde dieses denkwürdigen Abends.
Rimbauds wundervolle Lyrik
Dabei ist Jens Harzer niemand, der auf die Bühne stürmt, sondern eher ein leiser, zurückhaltender Vertreter seiner Zunft, dem viel am Klang der Sprache liegt. Es gelte immer, so hat es der 47-Jährige einmal gesagt, die Scheu vor jedem Auftritt zu überwinden, und so beginnt er auch seine Lesung fast etwas zögerlich. Harzer zerrt an den Worten, er zelebriert sie und wirkt dabei so, als durchdringe er Rimbauds wundervolle Lyrik mit großen Augen und einigem Staunen gerade zum ersten Mal.
Die Werke von Arthur Rimbaud mögen heute etwas in Vergessenheit geraten sein. Dabei war sein Lebensweg spannend wie ein Krimi, was vor allem die vielen Briefe belegen, die der Dichter an seine Familie und Freunde schickte. Vom literarischen Wunderkind bis zur von Opium und Alkohol zerfressenen Künstlerseele dauerte es bei Rimbaud nur wenige Jahre. Um dem selbstgefälligen Kleinbürgertum daheim in Frankreich zu entfliehen, zog es ihn voller Unrast nach Somalia und Äthiopien, ehe er 1891 im Alter von nur 37 Jahren unglücklich starb. Welch überragendes Werk er hinterließ, davon zeugt vor allem sein 100 Verse starkes „Das trunkene Schiff“, das auch Harzer in Auszügen liest.
Im Januar als „Iwanow“ im Schauspielhaus
Die Zuschauer hängen dem Schauspieler förmlich an den Lippen, es herrscht knapp zwei Stunden eine gebannte Aufmerksamkeit, die sich schließlich in einem donnernden Schlussapplaus entlädt. Harzer steht sichtlich gerührt vor den halbleeren Reihen – wohlwissend, dass es Lyrik schwer hat, wenn draußen der kalte Dezemberregen tobt. Die gute Nachricht: Ab Januar ist Harzer als „Iwanow“ im Schauspielhaus zu sehen.