Bochum. Die neue Fotoschau von Engels & Kraemer zeigt in Bochum viel nackte Haut. Aber sie versteckt sich „Hinter dem Gitter“ eines Zigarettenautomaten.

Kritik an der „neuen Prüderie“: Die Foto-Ausstellung von Engels & Kraemer in Bochum zeigt nackte Haut, aber sie muss sich verstecken

Erotische Fotografie, die sich verstecken muss? Weil sie Anstoß erregen könnte? – Das mutet heutzutage leicht schräg und wie „von gestern“ an. Aber offenbar sind die Zeiten doch nicht so aufgeklärt, wie man meinen sollte. Deshalb „versteckt“ das Bochumer Fotografen-Duo Engels & Kraemer seine neue Ausstellung, obschon sie doch in aller Öffentlichkeit zu sehen ist: „Hinter dem Gitter“ heißt die Schau, die im Café Zacher (Brüderstraße 6) dreimal Nacktheit in einem ungewöhnlichen Format präsentiert.

Über die Fotografen

Die Fotografen Uwe Engels und Jacqueline Kraemer sind nach einer klassischen Ausbildung im Handwerk mit Gesellen- und Meisterprüfung seit 1988 in Bochum selbstständig.

In ihrem Studio an der Wittener Straße 315 arbeiten sie in den Bereichen Industrie-, Werbe-, und Produktfotografie. Bilder von Menschen z. B. von Schauspielern, Sportlern und für Business-Anwendungen sind weitere Arbeitsschwerpunkte.

Jacqueline Kraemer ist gleichzeitig 1. Vorsitzende des Bochumer Künstlerbundes BKB.

Engels & Kraemer sind mit einer Kampagne für die Bochumer Blumenhandlung Blumenkamp bekannt geworden: Damals lichteten sie eine unbekleidete junge Frau ab, deren Blöße nur durch eine Canna-Blüte verdeckt wurde. Seitdem hat die in Altenbochum ansässige Kamera-Gemeinschaft immer wieder Nacktheit inszeniert, offenherzig zwar aber niemals schmuddelig.

Tradition der Kunstgeschichte

„Als Künstler sehen wir unsere Erotik-Fotografie in einer kunstgeschichtlichen Tradition“, sagt Uwe Engels (*1962). Jacqueline Kraemer (*1960) verweist auf die freizügigen Darstellungen in der Bildenden Kunst, „wie sie seit der Antike in allen Epochen gang und gäbe waren“.

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Doch die öffentliche Wahrnehmung hat sich seit der Blumenkamp-Werbung vor 20 Jahren sehr verändert. „Immer öfter stehen wir vor dem Problem, dass Nacktheit nicht akzeptiert wird“, sagt Kraemer. Obschon sexualisierte Werbung, beiderlei Geschlechts übrigens, in allen westlichen Ländern allgegenwärtig ist, herrscht dennoch nicht nur in den Sozialen Netzwerken eine „neue Prüderie“, wie Engels es nennt.

Busen-Blitzer wird gesperrt

Facebook zum Beispiel sperrt Fotos, sobald der Algorithmus auch nur den kleinsten Busen-Blitzer identifiziert. Engels & Kraemer mussten schon Erotik-Fotos von ihrer Homepage verbannen, weil es verbale Anfeindungen gab. Die Zeiten, in denen es die legendären „Großen Nackten“ des Kunst-Fotografen Helmut Newton per Poster in Szeneläden und auf öffentliche Plakatwände schafften, scheinen weit weg.

Ein Motiv aus der Ausstellung.
Ein Motiv aus der Ausstellung. © Engels & Kraemer

Dem will das Duo mit seiner neuen Schau begegnen. Drei erotisch gestimmte Schwarzweißaufnahmen – ein küssendes Frauenpaar, ein Modell mit nacktem Oberkörper, ein blanker Po in Netzstrumpfhose – dienen als Vehikel. Die Motive werden im Wechsel in einen ausrangierten Zigaretten-Automat im Café Zacher „eingesperrt“, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Automat bietet symbolischen „Schutz“

Der Automat ist mit einem Gitter versehen, das die Zigarettenpackungen gegen Diebstahl sichern sollte. Nun wenden Engels & Kraemer dasselbe Prinzip auf ihre Kunst an. „Das Gitter schützt die Fotografien symbolisch vor dem Betrachter. Und umgekehrt“, erläutert Uwe Engels.

Unfreiheit hat zugenommen

Das Vorgehen der Fotografen ist letztlich ein Akt der Zensur, wenn auch einer kalkulierten Zensur ihrer selbst. Das Gitter legt sich als Sperre vor die Fotos, die so nicht mehr in ihrer Unmittelbarkeit wahrgenommen werden können. Was einst „frei“ war, ist nun doch „verhüllt“. Es ist ein kritischer Ansatz, formuliert von zwei Künstlern, denen offenkundige wie subtile Eingriffe in ihre Arbeit zunehmend zu schaffen machen. „Die Unfreiheit in der Gesellschaft und der Kunst ist so groß wie lange nicht“, stellt Jacqueline Kraemer ernüchtert fest.

Ein gewichtiges gesellschaftspolitisches Thema, auf das „Hinter dem Gitter“ originell und einleuchtend zugleich aufmerksam macht (bis 26. Dezember).