Bochum. Die Bochumer Thomas-Cook-Tochter GfR ist gerettet. Nun steht ihr Verkauf an. Es gibt zahlreiche Interessenten - auch aus der Region.

Die Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook hat die Bochumer Gesellschaft für Reisevertriebssysteme (GfR) mit ihren 500 Mitarbeitern heil überstanden – vermutlich als einziges von einst vielen Thomas-Cook-Tochterunternehmen. Nun hat die Jagd auf den Vertriebsspezialisten begonnen. Zum Kreis der zwei Dutzend Kaufinteressenten gehören auch ein Essener Mittelstandsunternehmen und ein ehemaliger Bochumer mit seiner Kölner Firma. Beide kennen den Markt und damit auch den Wert der GfR.

„Natürlich sind die GfR-Kunden und deren Aufträge interessant“, sagt Andreas Diederich, gebürtiger Bochumer und Inhaber des Serviceunternehmens AIC in Köln. Aber der große Vermögenswert sei vor allem die Belegschaft. Reisespezialisten, die in einer zunehmend unter mangelndem Fachpersonal leidenden Branche sehr begehrt sind. Daraus macht auch Jan-Philip Ziebold vor der Octopodo GmbH aus Essen keinen Hehl. „Die Branche benötigt Personal.“ Und in Bochum ist es zu haben.

Geschäftsführer ist optimistisch

Ob und in welcher Stärke es auch künftig in dem Gewerbepark in Hofstede arbeiten wird, hängt womöglich vom Käufer ab. Aber GfR-Gründer und -Geschäftsführer Wolfgang Friedenstein gibt sich optimistisch: „Ich bin sicher unsere Standorte in Bochum und Berlin bleiben erhalten. Wir sind ja kein Callcenter, in dem Messerblöcke verkauft werden. Es geht um Fachleute aus der Touristikbranche, die man nicht einfach in eine andere Stadt verschieben kann.“

Gespräch beim Ministerium in Düsseldorf

Bis zum NRW-Wirtschaftsministerium in Düsseldorf war die Kunde von den Auswirkungen der Thomas-Cook-Pleite auf das Tochterunternehmen GfR in Bochum vor drei Wochen gegangen.

Am Freitag war GfR-Geschäftsführer Friedenstein zu Gast in Düsseldorf. Es habe ein interessantes Gespräch gegeben, in dem es darum gegangen sei, wie ein Ministerium grundsätzlich Firmen in Notlagen helfen könne.

14 Kaufinteressenten haben sich nach der Thomas-Cook-Pleite bei Friedenstein gemeldet und Interesse am Kauf der GfR bekundet. Mittlerweile sei der Kreis auf 25 angewachsen. Bis nächsten Donnerstag haben Interessenten Zeit, ein erstes Angebot beim Wirtschaftsberater PWC abzugeben, der beauftragt wurde, den Verkaufsprozess zu steuern. Bis dahin müssen sie Verträge, finanzielle Verpflichtungen und die Zukunftschancen der GfR prüfen. Friedenstein: „Jetzt wird es ernst für die Investoren.“

Standort Bochum gesichert

Auch für die Essener Octopodo GmbH. „Unsere Absicht ist es, die Arbeitsplätze im Revier zu halten“, sagt Octopodo-Mitinhaber Jan-Philip Ziebold. Er habe bereits mit der Essener Wirtschaftsförderung Kontakt aufgenommen, um einen passenden Standort für den im Falle eines Kaufs deutlich wachsenden Platzbedarf zu finden. „So bliebe die Firma im Pott und geht nicht an irgendeinen seelenlosen Großinvestor aus dem Ausland“, so Ziebold. Octopodo habe 160 Mitarbeiter, sei finanziell gesund, organisch gewachsen und könne eine verlässliche Perspektive bieten.

Hier gibt es mehr Artikel, Bilder und Videos aus BochumEin Szenario, das in ähnlicher Weise wohl auch für die Kölner AIC mit ihren mehreren Hundert Beschäftigten an vier Standorten gilt. „Die GfR und wir kennen uns schon lange und haben zum Teil die gleichen Kunden“, sagt AIC-Chef Diederich. Die Geschäftsbereiche beider Unternehmen würden sich gut ergänzen. Dass ein Großteil der Belegschaft nach Köln oder zum zweiten NRW-Standort Mönchengladbach wechseln würde, glaubt der gebürtige Bochumer nicht. Ergo würde wohl der bisherige Standort erhalten bleiben.

Kaufpreis dürfte in die Millionen gehen

Am Ende wird der Preis entscheiden. „Der Thomas-Cook-Insolvenzverwalter muss einen möglichst hohen Betrag erzielen, um die Gläubiger bedienen zu können“, weiß GfR-Geschäftsführer Wolfgang Friedenstein. In der Branche wird von einem Kaufpreis in Höhe von bis zu 15 Millionen Euro gesprochen, der den Wert des Unternehmens und seine finanziellen Belastungen abdecken soll. Wolfgang Friedenstein schweigt dazu. Details über das Verfahren darf er nicht nennen, mit Interessenten noch nicht sprechen. Das geschehe erst im weiteren Verlauf des Verkaufsprozesses.

So viel ist sicher. Noch vor Weihnachten wird die GfR eine neuen Besitzer haben, das ist die Vorgabe des Insolvenzverwalters. Und Wolfgang Friedenstein, der eigentlich im nächsten Jahr seinen Ruhestand antreten wollte, wird weitermachen. „Ich stelle das Ding wieder die Füße“, verspricht der 60-Jährige.