Bochum. Freie Redner haben nicht nur bei Hochzeiten, sondern auch Beerdigungen Hochkonjunktur. Ein Bochumer kann sich vor Aufträgen kaum retten.
Für die Bestattung eines Steigers hat er kürzlich eine Grubenlampe besorgt. „Die Witwe und seine Ex-Kumpel waren tief gerührt.“ Einem viel zu früh verstorbenen Motorradfahrer erwies er mit Led Zeppelins „Stairway to Heaven“ die letzte Ehre. Und bei der Auswahl seiner Gedichte und Verse greift er mitunter auf Weisheiten der Sioux-Indianer zurück. „Hauptsache persönlich und authentisch“, sagt Bernd Pape, der als Chef einer Versicherungsagentur einen außergewöhnlichen Nebenjob hat: Der 59-Jährige ist freier Trauerredner.
4840 Sterbefälle verzeichnet die Stadt Bochum für das Jahr 2018. „Immer mehr Menschen wünschen sich noch zu Lebzeiten eine Trauerfeier ohne kirchliche Begleitung“, berichtet Sebastian Pohl, Fachkraft beim Bestattungsunternehmen Wellers. Die Gründe seien vielfältig – ähnlich wie bei den Kirchenaustritten, die seit Jahren zunehmen. „Oft war ein einschneidendes Erlebnis ausschlaggebend: das Gefühl, dass die Kirche nicht für einen da war“, beobachtet Pohl.
Letztes Geleit ohne geistlichen Beistand
Freiberufler machen sich die wachsende Ferne wenn nicht zum Glauben, so doch zur Amtskirche zunutze. Freie Hochzeitsredner sind bei Trauungen längst so selbstverständlich wie Ja-Wort, Schleier und Torte. Und auch das letzte Geleit findet zunehmend ohne geistlichen Beistand statt.
Beim WAZ-Gespräch am Mittwochmorgen ist Bernd Pape schon passend gekleidet. Der Anzug im gedeckten Blau mit passender Krawatte; die Trauerrede liegt in einem Klarsichtordner bereit. Um 11 Uhr wird er auf dem Friedhof in Dahlhausen erwartet. Bis Ende nächster Woche stehen sechs weitere Termine an. Dabei hat Pape auch in seinem Hauptberuf alle Hände voll zu tun. Seit 1986 führt er ein Versicherungsbüro an der Herner Straße mit mehr als 1000 Bestandskunden. Auch an Hobbys mangelt es nicht: Das Treckerfahren gehört ebenso dazu wie der Gemeindekarneval daheim in Grumme.
Seit zwei Jahren als Redner unterwegs
Wie, bitteschön, wird man bei diesem Pensum zum Trauerredner? „Das hat was mit der Versicherung zu tun“, sagt Pape. Manche Kunden und Geschäftspartner seien in den letzten Jahren zu Grabe getragen worden. „Bei vielen Beerdigungen habe ich mir gedacht: Was redet der da vorne?“ Allzu profan erschienen ihm die Worte, die der Pfarrer „egal welcher Konfession“ der Trauergemeinde auf den Weg gab. „Da war kaum etwas Persönliches dabei, meist nur allgemeine Bibelverse.“
Pape weiß: „Quasseln kann ich.“ Womöglich besser und empathischer als die Profis. Vor zwei Jahren macht er ernst, belegt ein Seminar bei einer Trauerrednerin in Dortmund („samt Trockenübung“) und nimmt Kontakt zu Bestattungsunternehmen auf. Dort ist er inzwischen gelistet. Der Bedarf – siehe oben – steigt. Die Konkurrenz erscheint noch überschaubar. Drei Redner hält Wellers in den Beratungsgesprächen bereit. „Ich kann mich vor Aufträgen kaum retten“, sagt Bernd Pape und ist dankbar, dass er in seinem Büro ein gutes Team hinter sich hat.
Letztes Geleit mit Led Zeppelin und Grönemeyer
Der Job des Trauerredners ist nicht geschützt oder reglementiert. Im Prinzip kann ihn jeder machen. Der Versicherungskaufmann macht ihn offenbar besonders gut. Die Referenzen auf seiner Internetseite sind überschwänglich. „Mein lieber Mann wäre stolz darauf gewesen, dass ich dich, lieber Bernd, für diesen Tag gewinnen konnte“, schreibt Heike. „Du hast genau die Punkte ausgewählt, die meinen Vater ausmachten, obwohl du ihn nicht kanntest“, bedankt sich Anke.
Genau das sei das A und O, betont Pape: einen Zugang zu Menschen zu finden, die einem zuvor in der Regel fremd waren; den Angehörigen ein, zwei Stunden aufmerksam zuzuhören, um mit Gespür, Mitgefühl und Menschenkenntnis eine individuelle Rede zu zu schreiben, die dem Verstorbenen gerecht wird. Dazu gehören während der gut 30-minütigen Zeremonie mehr als Worte. Auch Musik sei wichtig. Das kann Led Zeppelin ebenso sein wie das Steigerlied und Grönemeyers „Bochum“. Sogar „Highway to Hell“ rockte schon eine Trauerhalle. Und ja: Auch aus der Bibel liest er oft und gerne vor, „wenn gewünscht“.
Mut auch zu außergewöhnlichen Ideen
Kraft und Energie gebe ihm das Trauer-Reden, sagt Bernd Pape. Dankbar sei er, für andere in bitteren Stunden da zu sein und Trost zu spenden. „Ums Geld geht’s mir da weniger.“ Wichtiger sei ihm, auch mit außergewöhnlichen Ideen aufzuwarten. Eine gute Freundin liebte die „Lindenstraße“. Bei ihrer Beerdigung erklang zum Auftakt die Erkennungsmelodie der ARD-Serie. „Alle haben geschmunzelt.“
Pauschalpreis wird fällig
Wer die Dienste von Bernd Pape als Trauerredner in Anspruch nimmt, zahlt pauschal 300 Euro.
„Ein fairer Preis“, meint der Grummer. Immerhin seien pro Bestattung rund acht Stunden Arbeit für die Vorgespräche, das Schreiben der Rede und die Zeremonie erforderlich.
Infos auf www.worte-fuer-menschen.de
Tränen flossen, als ein Vater beerdigt wurde, der seine Tochter über alles geliebt hat. Als sie ein Mädchen war, hatte er seinen Porsche 911 verkauft, um ihr ein eigenes Pferd zu schenken. „Wenn ich später jemals das Geld dazu habe, schenke ich dir den Porsche zurück“, sagte die Tochter. Dazu kam es nie. Pape: „Als ihr Vater starb, schlug ich ihr vor, ein Porsche-Modellauto zu kaufen. Sie stellte es bei der Beisetzung an Papas Urne.“ Die Tochter hatte ihr Versprechen eingelöst.