Bochum. Beim Schuhhaus Voswinkel auf der Kortumstraße läuft der Räumungsverkauf. Jetzt geht eine lange Geschichte an dieser Stelle der City zu Ende.

In diesen Tagen endet an dieser Stelle der Kortumstraße endgültig die Geschichte eines großen Bochumer Schuhhauses, das einst eine Erfolgsgeschichte geschrieben hat. Das Schuhgeschäft Voswinkel schließt die Filiale in ihrem ehemaligen Stammhaus. Der Räumungsverkauf hat bereits begonnen. Das Gebäude ist alten Bochumern immer noch als Voswinkel-Haus bekannt. Es befindet sich an der Straßenecke Bongardstraße/Kortumstraße. Damit liegt es an einer der früher meistfrequentierten Bochumer Straßenkreuzungen, der Drehscheibe. Selbstständig war die Firma lange nicht mehr, doch der Name blieb.

Gegründet vor 114 Jahren in Hofstede

Im Jahr 1905 legte ursprünglich im Stadtteil Hofstede Schuhmachermeister Hermann Voswinkel die Grundlage für ein neues Schuhgeschäft, das mit etlichen Filialen schon bald zu einem der größten Geschäfte dieser Art im Ruhrgebiet wachsen sollte. Es ist die Zeit als die erste Straßenbahn von Herne nach Bochum fährt. Als Gründungsdatum hat das Stadtarchiv den 1. Oktober 1905 ausfindig gemacht.

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Das kleine Geschäft kam mit einer Fläche von 20 Quadratmetern aus und in den Regalen standen etwa 500 Paar Schuhe. Für die Damen waren gerade Knöpfstiefel bis zur Wage der letzte Schrei. Mit einem sogenannten Stiefelknöpfer, der damals in jeden Haushalt gehörte, ließen sich die bis zu 20 Knöpfe mit ein wenig Geschick geschwind zu- und wieder aufknöpfen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts prosperierte die Wirtschaft. Die Stahlindustrie und die Zechen waren in dieser Phase vor dem 1. Weltkrieg in einem rasenden Aufschwung. Allein die Bochumer Bevölkerung verdoppelte sich in den Jahren kurz vor der Jahrhundertwende bis 1905 auf weit über 100.000 Menschen. Aus dem ehemaligen verschlafenen Ackerbürgerstädtchen war eine dynamische Großstadt geworden. Mit der blühenden Industrie wuchs der Handel. Die Menschen kleideten sich schick nach der neuesten Mode und Voswinkel war mit Elan dabei.

Die Drehscheibe zwischen den Weltkriegen. Rechts das ehemalige Hansa-Haus, dessen Reste noch viele Jahre nach dem Krieg das Möbelhaus Hein de Groot beherbergten
Die Drehscheibe zwischen den Weltkriegen. Rechts das ehemalige Hansa-Haus, dessen Reste noch viele Jahre nach dem Krieg das Möbelhaus Hein de Groot beherbergten © Stadtarchiv Bochum

Das Geschäft wurde im Krieg zerstört

Im Jahr 1938 wechselte Hermann Voswinkel mitten in die Innenstadt. Das Schuhgeschäft eröffnete an der Drehscheibe. Ein guter Platz. Das mächtige Hansa-Haus gegenüber lockte mit seiner Jugendstilfassade. Das bekannte Kaffee-Corso und die Stehbierhalle im Parterre luden zum Aufenthalt ein. In den vom Krieg verschonten Resten des Hansa-Hauses zog später das große Möbelgeschäft Hein de Groot ein, heute befindet sich dort die Drehscheibe.

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Der sogenannte Pfingstangriff auf Bochum am 13. und 14. Mai 1943 zerstörte auch die gerade fünf Jahre alte Voswinkel-Filiale.

Doch aus den Trümmern wuchs neues Geschäftsleben. Am 3. November 1951 berichtete die WAZ, Bochumer Anzeiger, von der Neu-Eröffnung des Schuhhauses Voswinkel auf der Kortumstraße. 40.000 Paar Schuhe wurden auf drei Stockwerken präsentiert. Das Schuhhaus beschäftigte damals allein in diesem Geschäft fast 50 (!) Angestellte. Der Ansturm der Kunden, so dokumentierte die WAZ mit einem Foto, war enorm. Die Menschen drängten sich sogar so dicht an den Schaufensterscheiben, dass die Polizei zur Ordnung rufen musste.

Eine Lichtzeitung an der Fassade

Den 50. Geburtstag 1955 feierte Voswinkel noch voller Stolz. Anzeigen aus der Zeit zeigen, dass das Geschäft gut lief. Ein eigener Jubiläumswettbewerb mit Preisausschreiben wurde angeboten, und beim Jubiläumsverkauf gab es viele Angebote. Voswinkel hatte in einem der großen Schaufenster sogar eine kleine Ausstellung mit einer „schuhhistorischen Schau“ dekoriert: Fußbekleidungen aus Afrika, China, Japan, dem Orient und der Zeit des Rokokos gab es da zu sehen. Vor allem die Kinder pressten ihre Gesichter ans Glas.

Ende der 70er und Anfang der 80er war die Firma noch einmal ganz vorn dabei. Bei der Stadt stellte sie einen Bauantrag für eine „Lichtzeitung“. Ältere Bochumer mögen sich erinnern, dass an der Fassade ein Leuchtband mit den neuesten Nachrichten flackerte. Damals eine topaktuelle Sache, quasi ein Vorläufer heutiger Medienwände.

Diese Zeiten sind lange vorbei. 1989 übernahm das Wuppertaler Unternehmen „Klauser Schuhe“, die Voswinkel-Schuhgeschäfte.