Bochum. Seit Anfang des Monats leitet Frank Neukirchen-Füsers die Arbeitsagentur Bochum. Sein Credo: eine möglichst ganzheitliche Betreuung der Kunden.

Einen neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung hat die Arbeitsagentur Bochum seit Anfang September: Frank Neukirchen-Füsers (60) übernimmt den Job von Regine Schmalhorst (47), die von Anfang 2017 bis August 2019 die Geschicke der Agentur geleitet hat. Der neue Agentur-Chef ist gebürtiger Leverkusener und leitete 15 Jahre lang das fünftgrößte Jobcenter Deutschlands in Dortmund. Diese Aufgabe wiederum hat nun Regine Schmalhorst übernommen.

Wie beurteilt der neue Agentur-Chef die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Bochum?

Stabil. Auch wenn die Arbeitslosenquote nach einer monatelangen Abwärtsbewegung in jüngster Zeit wieder gestiegen ist und Ende August 8,9 Prozent betrug, seien die Anzeichen und die langfristige Perspektive für den Arbeitsmarkt eher positiv, so Frank Neukirchen-Füsers.

Worauf stützt sich der Optimismus?

Darauf, dass Bochum nicht mehr von einem großen Unternehmen, schon gar nicht im gewerbliche industriellen Sektor, abhänge. „Die Region ist mittelständisch orientiert und stark von Dienstleistung und der Gesundheitsbranche geprägt. Uni und Gesundheitscampus sind eine Keimzelle, woraus viele zukunftssichere Arbeitsplätze entstehen. Ich glaube, dass wir eine positive Entwicklung in Bochum haben werden, auch wegen der Entwicklung auf Mark 51/7. Dort entstehen nicht nur Arbeitsplätze für Fachkräfte, sondern auch auf Helferniveau. Das Handwerk boomt für die nächsten Jahre, die Auftragsbücher sind voll. Bauvorhaben, Sanierungen, Tiefbau, energetische Sanierungen, alles läuft. Die langfristige Perspektive ist für Bochum auf jeden Fall positiv.“

Worum muss sich die Arbeitsagentur vornehmlich kümmern?

Die Versorgung des Arbeitsmarktes gehört zu der Kernaufgaben der Arbeitsagentur, zunächst einmal über die Ausbildung in Handwerk, im Erziehungswesen, in der Gesundheitsbranchen, im gewerblich-technischen Bereich. Fachkräfte werden überall gesucht. Dabei gibt es noch Luft nach oben: „Es muss uns jetzt gemeinsam mit anderen gelingen, mit Kammern und Innungen, die Betriebe für die Ausbildung zu gewinnen, die bislang noch nicht ausbilden.“

Mehr als 17.000 Bochumer sind derzeit arbeitslos und suchen mit Hilfe der Arbeitsagentur oder des Jobcenters nach einer neuen Beschäftigung.
Mehr als 17.000 Bochumer sind derzeit arbeitslos und suchen mit Hilfe der Arbeitsagentur oder des Jobcenters nach einer neuen Beschäftigung. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Wie viel Personal und wie viel Geld steht der Agentur zur Verfügung?

Momentan sind 304 Mitarbeiter im operativen Geschäft, d. h. in der Beratung und der Vermittlung, tätig. Für die berufliche Qualifizierung der Kunden stehen in diesem Jahr mehr als 20 Millionen Euro zur Verfügung. Für 2020 wird dieser Beitrag voraussichtlich um 3,5 Prozent angehoben.

Was unterscheidet einen Jobcenter-Chef von einem Arbeitsagentur-Chef?

„Die Handlungsspielräume sind unterschiedlich“, so Frank Neukirchen-Füsers. „Aber im Kern geht es darum, wie man die Situation für Kunden und für Mitarbeiter verbessern kann. Mir ist es wichtig, noch stärker dezentrale Entscheidungsstrukturen auch für Agenturen zu erreichen und auch Möglichkeiten der modellhaften Umsetzung von Initiativen und Projekten.“

Was heißt das?

Problemlagen von Menschen können nicht von einer Institution, Verwaltung, Behörde allein gelöst werden. Dem neuen Agentur-Chef schwebt vor, eine gesamtheitliche Dienstleistung anzubieten. In Dortmund etwa gehe demnächst das Gesundheitshaus an den Start – ein Dienstleistungszentrum, das für die beiden Bereiche Gesundheit und Arbeit zuständig ist. Neukirchen-Füsers: „Das wird funktionieren wie etwa eine Jugendberufsagentur. Da machen wir so etwas ja schon exemplarisch. Bochum ist in diesem Bereich wirklich gut aufgestellt, weil hier das Jugendamt sehr stark mit vertreten ist und die sozialarbeiterischen Dienstleistungen.“ Es sei gut, Leute nicht von Pontius nach Pilatus zu schicken, sondern, dass Themen in einem Haus geklärt werden können. „Wenn sich sinnvolle Dinge ergeben für Zusammenarbeit, für gemeinsame Anlaufstellen, das hat Perspektive.“

Was ist die große Herausforderung für die Arbeitsagentur in Bochum?

Es wird eine Herausforderung sein, den künftigen Fachkräftebedarf zu decken. Es geht um die Frage, wie Jobs für niedrig- und unqualifizierte Arbeitnehmer geschaffen werden können. Das ist vornehmlich eine Aufgabe der Jobcenter, die mit dem neuen Teilhabechancengesetz dafür jetzt gute Möglichkeiten haben. Bei den Arbeitsagenturen gehe es in erster Linie darum, dass ebenfalls neue Qualifizierungschancengesetz optimal zu nutzen; d. h. darum, Menschen, die einen guten und sicheren Arbeitsplatz haben, so zu beraten und zu qualifizieren, dass dieser noch zukünftig sicher ist. Angesichts der sich rasant wandelnden Arbeitswelt sei der Bedarf dafür in Zukunft groß. „Die Digitalisierung löst rasante Entwicklungen aus, manchmal schneller als wir es uns vorstellen können“, so Neukirchen-Füsers. Die Agentur habe damit begonnen, Betriebe und Beschäftigte darüber informiert, dass es Qualifizierungsmöglichkeiten gibt und dass diese gefördert werden können. Die Mittel dafür stehen bereit.

Was ist das Qualifizierungschancengesetz?

Das gibt es seit Anfang des Jahres genau wie das Teilhabechancengesetz im SGB II. Es geht darum, die Möglichkeiten der Menschen, die keine formalen Qualifikationen, aber Arbeitsplätze haben, zu verbessern, um ihre Arbeitsplätze abzusichern. „Das können wir fördern und das gibt den Leuten eine sicherere Arbeitsplatzperspektive. Überhaupt bin ich davon überzeugt, dass die Beratung künftig unsere Kernaufgaben sein wird. Und zwar Beratung auch bei Beschäftigten. Das wird uns die nächsten zehn Jahre beschäftigen – gemeinsam mit anderen.“