Bochum. Verein „Ehrenfelder Miteinander“ tauft seine Rikscha. Fortan werden Senioren von ehrenamtlichen Piloten durch die Stadt geradelt.

Den Fahrtwind in den Haaren spüren, wann hat sie das zuletzt? Vielleicht bei einer Fahrradtour oder auf einer Ausfahrt mit dem Cabrio? „Lange her“, sagt Gerda Fuchs (90) und lächelt. „Als mein Mann noch lebte sind wir in jungen Jahren mit dem Motorrad umhergefahren. Da flatterten die Haare“, erinnert sie sich.

Auch Ausfahrten zu zweit möglich

Aktuell kooperiert der Verein vor allem mit den Senioreneinrichtungen St. Mauritius, Johannesstift und DRK Holtbrügge. Der Verein wünscht sich, dass die Seniorenheime künftig selbst eine Rikscha anschaffen und diese von Ehrenamtlichen bedient werden.

Die Rikscha kann 155 Kilogramm tragen, so dass auch Ausfahrten zu zweit stattfinden. Wer Interesse daran hat, Pilot zu werden, kann sich beim Verein Ehrenfelder Miteinander melden.

Das „Recht auf Wind in den Haaren“ will der Verein „Ehrenfelder Miteinander“ Senioren wie Fuchs wieder schenken. Das Projekt heißt „Radeln ohne Alter“ und ist schnell erklärt: „Ehrenamtliche Piloten machen Ausflüge mit Menschen, die nicht mehr aus eigener Kraft in die Pedale treten können. Es geht in den Park, durch die Stadt oder zum Arzt“, so die Vereinsvorsitzende Barbara Jessel. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist nun mit der Rikscha selbst angekommen.

Anders als Radfahren

Rund 10.000 Euro kostete das gute Stück und wurde in Kopenhagen gefertigt. „Dort habe ich Ole Kassow kennengelernt. Er ist Gründe der Weltorganisation ,Cycling without Age’ und hat mich dazu inspiriert, das Projekt auch in Bochum zu starten“, so Jessel. Mittlerweile gibt es das Programm bereits weltweit in 52 Ländern. Die Rikscha kann sich mit ihrem roten Vordach, einer Sitzgelegenheit aus Naturholz und einem Fahrradunterbau mit Elektromotor sehen lassen. „Wir geben Piloten vor den Ausfahrten ein Sicherheitstraining.“

Barbara Jessel, Dagmar Bartsch und Gabriele Gaul loben das Rikscha-Projekt.
Barbara Jessel, Dagmar Bartsch und Gabriele Gaul loben das Rikscha-Projekt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Rikschafahren ist nämlich ganz anders als Fahrradfahren“, erklärt Gabriele Gaul, die selbst als Pilotin unterwegs ist. „Man muss das Lenkverhalten und die Balance erst lernen, aber es macht wirklich Spaß“, so Gaul. Die Ausflüge – die Rikscha fährt aktuell bis zu fünf Stunden am Tag umher – verbreiteten schnell Freude. „Auch die Piloten profitieren von den Begegnungen“, ist sie sich sicher.

Bedeutungsvoller Name

Einen bedeutungsvollen Namen hat das Gefährt ebenfalls schon: Albert. „Gerda Fuchs und Albert Gerkens durften die erste Probefahrt machen“, erklärt Gaul. Albert Gerkens ist aber kürzlich verstorben. Zu seinen Ehren also taufte Pfarrer Hartmut Schröter die Rikscha und gab Segenswünsche mit auf den Weg. „Protestanten segnen nicht gerne Dinge, aber in dieses Gefährt sind Begegnungen und freudige Ausfahren miteingebaut“, so Schröter.

Er wünsche, dass die Rikscha die Fahrgäste in die Welt hinausbringe, kleine Wünsche erfülle und generationenübergreifende Beziehungen schaffe. „Möge sie auch dazu beitragen, dass wir die Welt beschaulich wahrnehmen und nicht rasend“, so der Pfarrer. Einen guten Ausblick hat man von den Sitzplätzen allemal. „Man kann richtig schön schauen“, berichtet Fuchs von ihrer Probefahrt entlang des Bahnhofs. „Ich bin mal in China mit einer Rikscha gefahren. Man muss eben immer etwas Neues ausprobieren“, sagte die 97-Jährige Anneliese Häckel. Maria Spieker (85) hofft auf gute Gespräche: „Vielleicht kann man den Piloten erzählen, wie ein Ort früher einmal aussah“, überlegt sie.