Wattenscheid-Mitte. Handfeste Grundkenntnisse und Vorerfahrungen: Die Liselotte Rauner-Schule will umfassend ausbilden und setzt auf die Entwicklung der Schüler.
Grau ist alle Theorie – zu weit gegriffen. Dass Anpacken und Ausprobieren allerdings außerordentliche Aufmerksamkeit geschenkt wird – handfest. „Wir haben schon immer auf eine starke Praxisorientierung gesetzt“, betont Marcel Schnürer. Als Rektor der Liselotte Rauner-Schule (LRS) ist es seine Aufgabe, gemeinsam mit seinem Schulteam Jugendliche ab der fünften Klasse für das (Berufs-)Leben zu rüsten, Wege aufzuzeigen, Stärken zu erkennen und zu fördern. Viel Verantwortung, die einen klaren Ausbildungs-Ansatz erfordert.
Welche Methode an Bochums größter Hauptschule im Zentrum steht, zeigt Schnürer beim Rundgang durch die tadellos ausgestatteten Werkräume.
Nähmaschinen, Küchenzeilen mit Öfen und Ceranfeldern, Dekupiersägen und Schraubstöcke, Motorenkonstruktionen und Schaltkreise: Die Fachräume Textil, Hauswirtschaft, Metall, Holz und Elektro stehen für Praxis. Dass Grundlagen und Hintergrundwissen nicht auf der Strecke bleiben, mit Geräten und Handlungen einhergehen, man ebenso auf moderne Hilfsmittel setzt, verdeutlichen digitale Tafeln. „Die Funktionsweise eines Motors lernen Schüler aller Schulformen kennen. Hier nehmen sie die Maschine aber auch in die Hand, schrauben daran.“
Nachwuchssorgen im Handwerk als Chance
Grundfertigkeiten sollen erlangt, Vorerfahrungen gemacht werden: „Damit können im weiteren Leben andere Dinge ausgeglichen werden, etwa die Mathe-Kenntnisse eines Gymnasiasten“, so Schnürer. Die vielzitierten Nachwuchssorgen des Handwerks interpretiert der 45-jährige Schulleiter, der in sein zweites Jahr an der LRS geht, als Möglichkeit für seine Schüler: „Durch Praktika, die ihren Ursprung im Hauptschulsystem haben, entstehen früh persönliche Kontakte zu Betrieben. Unternehmen sind heutzutage vermehrt auf der Suche nach selbstständigen Mitarbeitern.“
Orientiert an der Praxis
Rund 500 Schüler werden die Liselotte Rauner-Schule an der Voedestraße 46-48 im neuen Schuljahr besuchen. Die Anzahl der Neuanmeldungen sei noch nicht klar, man werde jedoch mit drei neuen Klassen der Jahrgangsstufe fünf starten, sagt Leiter Marcel Schnürer.
In den Werkräumen werden maximal 16 Schüler gleichzeitig unterrichtet. „Sonst wäre eine sinnvolle Betreuung und Begleitung nicht möglich, die Lernerfolge würden darunter leiden.“ Entsprechend sei man am Limit angelangt, was die Raumkapazitäten betrifft.
Eine solche Chance in Kombination mit den schulischen Abschlüssen würde häufig nicht gesehen: „Eltern melden ihre Kinder tendenziell zu hoch im Schulsystem an, der Ruf scheint manchmal wichtiger. Dadurch wird häufiger ,abgeschult‘, und es gibt viele Rückläufer in der siebten Klasse.“ Wechsel von der Haupt- auf Real-, Gesamtschule oder Gymnasium seien zwischen den Klassen 5 bis 10 somit eher selten, bestätigt er. Der Einschätzung seiner Kollegen der Einstiegsschulform misst Schnürer viel Kompetenz bei: „Grundschulen irren bei ihren Empfehlungen selten und wollen den Schülern nichts Böses.“ Er differenziert: „Was nach der vierten Klasse gilt, stimmt aber vielfach am Ende der Bildungslaufbahn nicht mehr.“
Schüler entwickeln sich weiter
Das liege an der Entwicklung der Schüler: „An jeder Schulform müssen Leistungen für einen Abschluss erbracht werden. Wir möchten Hemmnisse abbauen, Schülern, die nach der zehnten Klasse ihren Realschulabschluss mit Qualifikation für das Abitur erlangt haben, den Respekt vor einem Wechsel zu einem Gymnasium nehmen.“
Dass zwar weiter Defizite aufgeholt werden müssten, verhehlt Schnürer nicht, betont aber: „Wer dort angekommen ist, der kann lernen.“ Und Durchlässigkeit sei auch nach oben gegeben: „Nach Klasse zehn verzeichnen wir viele Wechsel. Vergangenes Jahr hat die Hälfte unserer Zehner den Realschulabschluss mit Qualifikation erreicht.“ Nur ganz wenige Schüler hätten die LRS ohne Abschluss verlassen.
Fächerübergreifendes Lernen ist wichtig
Damit ein Wechsel leichter fällt, möchte sich auch die Hauptschule weiterentwickeln, eine engere Zusammenarbeit mit dem Märkischen Gymnasium fixieren. Das Ansinnen stecke zwar noch in den Kinderschuhen. Theoretische Inhalte mit praktischen Erfahrungen zu untermauern und umgekehrt, biete allerdings beiden Schulformen Vorteile.
Der Anspruch, Schüler auf das Leben vorzubereiten, wird noch an anderer Stelle deutlich: „Es wird fächerübergreifend gelernt. In Hauswirtschaft wird eine Familiensituation simuliert, ein gesunder Speiseplan aufgestellt und die Kosten berechnet, bevor die Mahlzeiten zubereitet werden.“ Dabei arbeite man dann mit den hygienischen Vorgaben des Gesundheitsamtes an Betriebe, hat so den Arbeitsmarkt im Blick. „Talent und Interesse werden über Praktika sofort intensiviert.“ Die Schüler lernen so früh die tatsächlichen Abläufe eines Gastronomie-Betriebs vor Ort kennen.