Bochum-Ost. Neues Bildungsprojekt ermöglicht einen emotionalen Zugang zu den Schrecken des Holocaust. Die Lebensgeschichten von Überlebenden werden erzählt.

Als Zeitzeugen bezeichnet man Menschen, die historische Ereignisse erlebt haben und anderen von ihren oftmals traumatischen Erfahrungen berichten können, damit Krieg und Unterdrückung nicht in Vergessenheit geraten. Doch was sind eigentlich „Zweitzeugen“?

Hinter diesem schönen Begriff verbirgt sich der Essener Verein „Heimatsucher“, der ein bemerkenswertes Bildungsprojekt auf den Weg gebracht hat, das demnächst auch im Bochumer Osten für Furore sorgen soll. Und das funktioniert so: Ehrenamtliche Mitarbeiter des Vereins (oftmals Studenten oder Historiker) haben sich intensiv mit Überlebenden des Holocaust beschäftigt und sie interviewt. Die Lebensgeschichten dieser Menschen wollen sie während eines Projekttages an Schüler weitertragen, die auf diese Weise zu „Zweitzeugen“ werden.

Jugendliche schreiben den Zeitzeugen Briefe

Die Jugendlichen verfassen am Ende der Veranstaltung Briefe an die Überlebenden des Holocaust, um darin ihrer Betroffenheit Ausdruck zu verleihen. „Junge Menschen jeder Bildungsschicht sollen auf diese Weise dazu ermutigt werden, sich tief mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen – und wir begegnen ihnen dabei ganz auf Augenhöhe“, erklärt Vorstandsmitglied Ruth-Anne Damm das didaktische Konzept.

3.500 Euro aus dem Feuerwehrtopf

Der Verein Heimatsucher bietet an, an einem oder mehreren Projekttagen in den Schulen die Überlebensgeschichten weiterzutragen, um einen modernen, emotionalen Zugang zum Holocaust zu ermöglichen.

Damit das Projekt umgesetzt werden kann, berät die Bezirksvertretung Ost bei ihrer Sitzung am 5. September, ob 3.500 Euro aus dem Feuerwehrtopf für das Jahr 2020 für diesen Zweck bereitgestellt werden können. Welche Schulen dann am Ende davon profitieren könnten, stehe noch nicht fest.

Über die persönlichen Erzählungen von Schoah-Überlebenden möchte das Projekt Geschichte nachfühlbar und emotional begreifbarer machen. „Junge Menschen verstehen die Bedeutung von Geschichte für ihr eigenes Leben erst durch die Begegnung mit einem Zeitzeugen“, sagt Damm mit. Das Dilemma liegt auf der Hand, denn Zeitzeugen des Holocaust werden nicht mehr lange unter uns weilen. Damit sie zukünftig nicht verstummen, werden ihre Geschichten in Ausstellungen und Workshops weitererzählt – und die Schüler damit zu „Zweitzeugen“ der nächsten Generation.

Projekt wurde mehrfach ausgezeichnet

Angesprochen werden Kinder ab der 4. Klasse. „Wobei wir mit Viertklässlern an das Thema Holocaust natürlich anders herangehen als mit Schülern in der Oberstufe“, meint Ruth-Anne Damm. Bereits über 4000 Schüler in ganz Deutschland sind auf diese Weise bereits zu „Zweitzeugen“ geworden, mehr als 3000 Briefe haben sie verfasst. Kein Wunder, dass das Projekt mehrfach ausgezeichnet wurde: So erhielt der Verein Heimatsucher unter anderem den Zukunftspreis der Israelstiftung 2016.

Die Fraktionen SPD und Grüne in der Bezirksvertretung Ost haben sich das Projekt bereits aus der Nähe angeschaut und zeigen sich begeistert von dieser neuen Form der Erinnerungskultur: „Das ist großartig. Für Schüler gibt es nichts Spannenderes, als Geschichte aus erster Hand zu erfahren“, sagt Bezirksbürgermeisterin Andrea Busche (SPD). „Damit nichts verloren geht, wenn die Zeitzeugen einmal nicht mehr da sind.“

Nähere Informationen unter www.heimatsucher.de