Bochum. Johan Simons hat dem Bochumer Schauspielhaus einen unverkennbaren künstlerischen Zuschnitt verpasst. In der Öffentlichkeit war er wenig sichtbar.
Die Spielzeit 2018/19 hat dem Schauspielhaus eine enorme Aufmerksamkeit beschert, doch der Mann, der dafür verantwortlich zeichnet, stand weit weniger im Fokus. Johan Simons ist auf dem Theater eine dominierende Person, aber er ist sicher nicht der Typ für den „großen Auftritt“ in der Öffentlichkeit.
Bestimmte Momente
Nicht nur, weil der 72-Jährige zeitgleich auch in Wien und Salzburg inszenierte musste man als Theaterfreund daher bestimmte Momente abpassen, um dem Schauspieldirektor etwas näher zu kommen. Beim 100. Geburtstagsfest war das möglich, als Simons die Riesentorte auf dem Hans-Schalla-Platz anschnitt, oder bei seinen Talk-Runden „Johans Happy Our“ im Oval Office. Oder bei seiner mitternächtlichen Ansprache mit viel „Nederlands gevoel“ nach der Premiere des Jubiläums-Abends „O, Augenblick“.
Motiviertes Dramaturgen-Team
Zur Person
Johan Simons (* 1. September 1946 in Heerjansdam, Niederlande) zählt zu den gefragtesten Theater- und Opernregisseur in Europa.
Simons wurde vor allem als Intendant der Münchner Kammerspiele bekannt. Er baute ab 2010 das traditionsreiche Haus zu einem europäischen Theater aus, in dem internationale Regisseure und Darsteller arbeiteten. Von 2015 bis 2017 leitet er die Ruhrtriennale, mit der Spielzeit 2018/2019 wurde er Intendant des Schauspielhauses.
Künstlerisch steht Johan Simons für ein intellektuelles Theaterverständnis, das neben ästhetischen Experimenten immer auch die Frage des Politischen mitdenkt.
Doch selbst wenn der Theatermacher öffentlich beinahe unsichtbar war, kann man seinen Einfluss auf das neue Schauspielhaus gar nicht überschätzen. Mit einem motivierten Dramaturgen-Team (Vasco Boenisch, Dorothea Neweling, Cathrin Rose, Tobias Staab) setzte Simons um, wofür er Anfang 2016 nach Bochum verpflichtet worden war. Er wolle das Schauspielhaus zu einem „Haus der Kulturen“ ausbauen, sagte Simons damals.
Schauspiel mit Strahlkraft
Es werde ein Netzwerk mit europäischen Bühnen geben und alljährlich eine große internationale Koproduktion. Beides wurde eingelöst, man denke an Milos Raus Kriegs-Collage „Orest in Mossul“, die für die Kammerspiele konzipiert wurde und dann vielerorts in Europa aufgeführt wurde. Er stelle alles auf Null und fange ganz von vorn an, hatte Simons vor drei Jahren gleichfalls betont. Und damit den Beifall von Thomas Eiskirch (SPD) gefunden: „Die Berufung von Simons ist ein Signal. Unser Anliegen ist erstklassiges Schauspiel mit Strahlkraft in die gesamte Theaterlandschaft“, gab der OB bei Vorstellung der Personalie zu Protokoll.
Künstlerisch und inhaltlich hat Simons also Wort gehalten. Seine Produktionen, sieben an der Zahl, fanden durchweg Wohlwollen bei der Kritik, wenn auch nicht überall beim Bochumer Publikum. „Zu kopflastig, zu wenig unterhaltsam“, lautete der Tenor der Vorwürfe. Gleichwohl boten Simons-Inszenierungen wie „Die Jüdin von Toledo“, „Hamlet“, „Penthesilea“ oder „Plattform/Unterwerfung“ künstlerisch starke und intellektuell fordernde Theatermomente, die vielleicht polarisierten, aber gewiss niemanden kalt gelassen haben.
Persönlicher Freiraum
Das Schauspielhaus ins Gespräch zu bringen, den Austausch zu suchen, auch widersprüchliche Meinungen zuzulassen und ihnen argumentativ, nicht polemisch, zu begegnen, ist eine Kunst. Simons beherrscht sie, wegen seiner künstlerischen Integrität, aber auch wegen der Ausstrahlung, die er durch seine Individualität mitbringt. „Ich möchte von allen und allem lernen. Und ich möchte, dass wir uns besser kennenlernen“, hat der Niederländer stets betont.
Theaterfest im September
Vielleicht gibt ihm seine zweite Saison, die mit dem Theaterfest am 22. September eingeläutet wird, mehr persönlichen Freiraum zur Begegnung mit den Bochumer/innen. Auf dem Moltkemarkt oder beim BoSy-Konzert im Bermudadreieck wäre der Theaterchef sicher ein gerngesehener Gast.