Bochum. Das Traditionsrestaurant am Schauspielhaus ist seit 17 Jahren geschlossen und gammelt vor sich hin. Gut möglich aber, dass sich jetzt ‘was tut.
Fast jeder in Bochum kennt das „Alt Nürnberg“. Das ist erstmals verwunderlich, denn das Restaurant gleichen Namens ist schon seit 17 Jahren zu und gammelt vis-à-vis des Schauspielhauses vor sich hin. Die Zeiten, in denen die Wirtsstube zu den Top-Gastro-Adressen zählte, sind lange vergangen. Und doch ist der Name immer noch ein Begriff. „Alt Nürnberg“, das ist halt ein Bochumer Klassiker.
Schandfleck im Stadtbild
1962 war das Wohn- und Geschäftsgebäude an der Ecke Hattinger Straße/Königsallee errichtet worden. Direkt an der Schauspielhaus-Kreuzung gelegen, ist es mit seiner Ladenzeile heute noch eine Location, die jeder kennt. Die aber schönere Tage gesehen hat. Das Gebäude ist insgesamt in eher schlechtem Zustand, und das Lokal im Erdgeschoss nochmal schlechter dran. Dieser Tage wurden die eingeschlagene Scheibenfront mit einer Pressspanplatte abgedeckt, um Vandalismus vorzubeugen. Aber auch die ist schon wieder beschmiert worden: ein Schandfleck an einer prominenten Ecke der Stadt. Nur der elegante Schriftzug „Alt Nürnberg“ auf dem historischen Werbeschild kündet tapfer von besseren Zeiten.
Neuvermietung möglich
Timurs Melamuds, bei der Hausverwaltung „Haus & Grund Bochum“ verantwortlich für das Objekt, will nichts unversucht lassen, um eine Neuvermietung klar zu machen. „In den nächsten Wochen soll es einen Aushang geben, dass das ,Alt Nürnberg’ wieder zu haben ist“, sagt er.
Eine Gastronomie sei möglich, ist aber nicht zwingend. Um die Konzession zu erhalten, müsste die Lokalität gewisse Vorgabe erfüllen. So muss ein Restaurant behindertengerecht eingerichtet sein, Hygiene- und Lärmvorschriften müssen eingehalten werden. Dazu käme die bauliche Renovierung der heruntergekommenen Gaststube.
Die währten 40 Jahre. Von 1962 bis zur Schließung 2002 war das „Alt Nürnberg“ eine der feinsten Adressen der Stadt. Ältere Bochumer/innen erinnern sich an den langjährigen Gastronomen Jürgen Scheffran, der im bürgerlich-rustikalen Ambiente der Gaststube mit neuer deutscher und französischer Küche konstant gute Qualität ablieferte. Sogar einen echten „Shakesburger“ konnte man einst hier bekommen; die Bochumer Shakespeare-Gesellschaft hatte in Anlehnung an den „Hamburger“ diese kleine Köstlichkeit vom Küchenteam herstellen lassen.
Fischstäbchen im Schauspielhaus
Überhaupt war die direkt Nachbarschaft zum Schauspielhaus ein Pfund, mit dem das Restaurant wucherte. Sprichwörtlich ist der „Intendanten-Tisch“ im hinteren Bereich, an dem schon zu Hans Schallas Zeiten Regisseure, Schauspieler, Künstler und Theatergänger (nicht nur) die Premieren begossen. Zum Einstand von Leander Haußmann spielte man Tschechows „Die Vaterlosen“, weswegen im feinen „Alt Nürnberg“ plötzlich auch Bortsch-Suppe aufgetischt wurde; das Arme-Leute-Essen der russischen Bauern.
Eine andere schöne Geschichte rankt sich um Bert Brechts „Die Kleinbürgerhochzeit“, dafür war Gastronom Scheffran 1984 sogar im Theater selbst gefragt, denn es wurde bei jeder Vorstellung hinter der Bühne live gebrutzelt. Fischstäbchen gab es, und es musste immer eine Feuerwehrmann daneben stehen, weil das sonst nicht erlaubt war.
Hechtsprung ins Dunkle
Am Ende der Vorstellung hatte Intendant Claus Peymann genug von der labbrigen Kost – und ließ stattdessen Lachs auftischen. „Dabei wäre Jürgen Scheffran beinahe auf der Bühne erwischt worden, weil der Vorhang zu früh aufging. Er rettet sich mit einem Hechtsprung ins Dunkle“, weiß die Bochumer Journalisten und Gastronomie-Experten Gisela Gehse.
Bewegung in der Sache
Alles lange her. Inzwischen ist das „Alt Nürnberg“ ein harter Sanierungsfall. Gleichwohl gibt es offenbar wieder eine Perspektive für das Haus und das Ladenlokal. Wie die WAZ erfuhr, hat sich der Eigentümer aus Altersgründen aus dem aktiven Vermietung zurückgezogen; das könnte Bewegung in die Sache bringen.