Bochum. Die Initiative „Stadt für Alle“ ist mit den Umbauplänen des Rates für Bochums Innenstadt nicht einverstanden. Bürger sammeln alternative Ideen.
Susan Kowalski trennt einen Klumpen Lehm ab und formt eine Seitenwand. „Das wird die Musikschule“, sagt sie. Bildungs- und Verwaltungszentrum (BVZ), Gesundheitsamt und Turnhalle stehen schon in Teilen. Vincent Forster ist derweil mit fünf Säulen zugange. „Die Tragstruktur der Bibliothek“ kommentiert er.
Gemeinnütziges und ökologisches Bauen
„Stadt für Alle“ ist ein offenes Bürgernetzwerk. Besonders liegt den Mitstreitern das gemeinnützige und ökologische Bauen am Herzen. Sie setzen sich für Orte der Begegnung und Wohnraum nach dem Bedarf der Menschen ein.
Die Initiative trifft sich jeden zweiten und vierten Dienstag um 19 Uhr, meist im Mieterverein (Brückstraße 58).
Weitere Informationen dazu gibt es unter www.stadt-fuer-alle-bochum.net
Was die beiden dort machen, nennt sich „Clay-Storming“ – abgeleitet von „Brain-Storming“ beschreibt der Begriff das Ideen-Sammeln durchs erlebbare Experimentieren. Genauer: „Wir entwickeln alternative Ideen zu den Umbauplänen der Stadt“ erklärt Martin Krämer von der Initiative „Stadt für Alle“.
Was die Stadt beschlossen hat - Abriss von BVZ, Musikschule, Gesundheitsamt und Turnhalle sowie den Verkauf der Flächen an private Investoren – gefällt den Mitstreitern der Initiative gar nicht. „Die Stadt soll für alle offen gehalten werden. Wenn von „hochwertigem Wohnraum“ gesprochen wird, ist doch klar, dass der Quadratmeter nicht unter 10 Euro kostet“, ärgert sich Krämer. So funktioniere Teilhabe und ein gesellschaftliches Miteinander nicht. „Die Musikschule soll erhalten bleiben, die Flächen nur erbverpachtet werden und mehr Sozialwohnungen gebaut werden“, fasst Krämer zentrale Forderungen zusammen.
Historie steckt in Gebäuden
Nicht nur bei Rundgängen, Unterschriftenaktionen und Anwohner-Umfragen findet er dafür viele Anhänger. „Besser, wenn das Gelände in städtischer Hand bleibt. Lieber sollten wir den Appolonia-Pfaus-Park aufwerten“, wünscht sich Unterstützerin Barbara Flöhren. Es gibt weitere Ideen: Einspuriger Autoverkehr und mehr Radwege auf dem Westring, Umwandlung der Turnhalle in eine halboffene Veranstaltungshalle, Amphitheater im Park, preisgünstiger Wohnraum in Musikschule und Gesundheitsamt.
Herz der Innenstadt
„Hier ist das Herz der Innenstadt, da muss man einfach kreativer sein“, meint Doris Betsch. Es sei ein Skandal, dass die Stadt über den Flächenverkauf nachdenke. „Wir haben nicht viele alte Gebäude in Bochum. Die 50er Jahre sind heute unser Gedächtnis“, sagt Kowalski. In den Gebäuden stecke Geschichte, man könne sie nicht einfach so abreißen.
„Ich empfinde die Bürgerbeteiligungsformate oft als Alibi-Verfahren. Wir wollen gar nicht gegeneinander arbeiten“, ärgert sich Dagmar Forster. Trotz Einladung sei niemand aus der Ratsfraktion gekommen. Vielleicht kommt es ja doch noch zum gemeinsamen Experimentieren mit Lehm - das empfehlen die Bürger nämlich auch den Politikern.