Bochum. . Das Bochumer Polizeipräsidium wird 110 Jahre alt. Deshalb wird gefeiert. Dazu ein kleiner historischer Überblick über die bewegte Geschichte.
Das 110-jährige Bestehen feierte das Bochumer Polizeipräsidium ganz besonders. Schließlich ist diese Zahl ihr Markenzeichen: der Notruf 110. Die offizielle Feier mit geladenen Gästen findet zwar erst im Herbst in Bochum statt, doch schon am Samstag (15. Juni) lädt die Polizei von 10 bis 18 Uhr zu einem bunten Familienprogramm ein auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei an der Krümmede.
Die Polizei ist mit 1923 Bediensteten einer der größten Arbeitgeber im Zuständigkeitsbereich Bochum, Herne und Witten mit insgesamt rund 618.000 Einwohnern. Nur 563 Polizeibeamtinnen gibt es, aber das liegt daran, dass Frauen erst ab 1982 im uniformierten Polizeivollzugsdienst arbeiten dürfen.
Zum Jubiläum gibt die WAZ einen kleinen Überblick über die bewegte Geschichte des Polizeipräsidiums.
Die Anfangszeit nach der Gründung 1909
Die Geschichte des Bochumer Polizeipräsidiums beginnt 1909. Mit königlichem Beschluss erklärte der preußische Staats- und Innenminister Friedrich Ludwig Elisa von Moltke am 1. Juli, dass die Verwaltung der Sicherheitspolizei verstaatlicht und einem „königlichen Polizeidirektor“ übertragen wird: Karl Gerstein. Nach ihm ist die heutige Straße am Gelände der Bereitschaftspolizei benannt. Bis 1929 residierte die Polizei an der Hattinger Straße 59/61. Zum präsidialen Gebiet gehörten zunächst Bochum und Herne. Witten kam erst 1927 hinzu.
Wie bedeutsam die Verstaatlichung ist, macht ein Blick auf Jahre davor deutlich. Die Ordnungshüter waren damals nicht den Ländern unterstellt, sondern wurden von den Kommunen aus verwaltet. Die Verstaatlichung sorgte für Einheitlichkeit und setzte Standards.
Französische Soldaten entwaffneten die Schutzpolizei
Nach dem 1. Weltkrieg besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet. Die Soldaten umstellten alle Polizeiunterkünfte, entwaffneten die Schutzpolizei und wiesen sie aus. Die Kripo verrichtete heimlich ihren Dienst. Zum Teil sorgte auch die Feuerwehr für Ruhe und Ordnung. Die Franzosen stellten eine notdürftige Ersatzpolizei aus Mitgliedern der Gewerkschaft auf. Fünf Jahre später hatte sich die Lage normalisiert: Die Franzosen waren abgezogen und es gab wieder genug Personal. Im Jahr 1929 gehörten zum Polizeipräsidium 1595 Beamte. Im selben Jahr wurde das Polizeipräsidium an der Uhlandstraße eingeweiht.
Die dunkelste Zeit der Bochumer Polizei, 1933 bis 1945
Diese Zeit war das dunkelste Kapitel der Bochumer Polizei. „Die Nationalsozialistische Partei bekam immer mehr Einfluss und missbrauchte die Polizei als Machtinstrument“, sagt die heutige Polizei.
1939, mit Kriegsbeginn, wurde die Polizei mit dem Sicherheitsdienst der Schutzstaffel (SS) zusammengelegt. Für den Fronteinsatz wurden viele Polizisten zwangsrekrutiert und in den Krieg geschickt. Bis zum Kriegsende gab es kaum noch Polizisten im Land. Feuerwehrleute mussten polizeiliche Aufgaben übernehmen. Gleichzeitig kam es bei der Polizei zu Verbrechen. 1989 wurde im Hof des Polizeipräsidiums eine Gedenktafel angebracht: „In der Zeit des Unrechts von 1933 bis 1945 sind an dieser Stelle des damaligen Polizeigefängnisses Menschen misshandelt und zu Tode gebracht worden. Ihnen gilt unser stilles Gedenken. Ihr Opfer ist für uns Mahnung und Verpflichtung.“
31 Morde und 18 Mordversuche in drei Monaten
Die Polizeiverwaltung Bochum war nach dem Sieg der Alliierten zunächst nicht mehr existent. Die staatliche Gewalt ging in die Hände der Besatzungsmacht über. Die Alliierten entließen zur Entnazifizierung Tausende Polizisten aufgrund ihrer Nazi-Vergangenheit aus dem Dienst. Es waren kaum noch Kräfte verfügbar. Eine Hilfspolizei wurde aufgestellt, die sich aus Angehörigen demokratischer Parteien zusammensetzte. Es gab etliche Plünderungen und Übergriffe auf Höfe. Allein zwischen April und Juni 1945 kam es in Bochum zu 31 Morden und 18 Mordversuchen. Erst ab Juli besserte sich die Situation allmählich. 1947 wurde ein wichtiges Kontrollorgan gegründet: der Polizeiausschuss. Er sollte als neutrale, unpolitische und selbstständige Institution die Arbeit der Bochumer Polizei überwachen.
Die 50er- und 60er-Jahre
1952 gingen in Bochum die ersten Funkstreifenwagen an den Start. 24 Fahrzeuge machten den Anfang, bis 1956 war das gesamte Polizeipräsidium motorisiert.
1952 zogen dann die fünfte und sechste Einsatzhundertschaft feierlich in die Gebäude der ehemaligen Polizeiunterkunft „Staatsminister Severing“ in Bochum ein. Innenminister Dr. Meyers weihte den Standort an der Castroper Straße offiziell ein. Mit der Studentenbewegung der 1960er Jahre hatte die Bereitschaftspolizei bei zahlreichen Großdemonstrationen dann auch alle Hände voll zu tun. „Bis heute bildet die Bereitschaftspolizei das Rückgrat der Polizei“, sagt die Polizei heute. „Landesweit werden die Kolleginnen und Kollegen erfolgreich bei Demonstrationen und Fußballspielen sowie bei besonderen Lagen eingesetzt.“
Die Puppenbühne wurde ein Erfolgsmodell
Neue Wege in Sachen Verkehrserziehung ging die Polizei im Jahr 1953: Mit der Gründung der Puppenbühne begeisterten die Beamten die Kinder in Bochum, Herne und Witten. Was als normales Kasperletheater begann, entwickelte sich über die Jahre zu professionell inszenierten Stücken mit eigenen Figuren, detaillierter Kulisse und aufwendigem Licht.
Die 70er-Jahre bis zu den 90er-Jahren
In den 1970er Jahren hielt die Rote Armeefraktion die Republik in Atem. Auf der Jagd nach den Terroristen kamen auch viele Kräfte aus Bochum zum Einsatz. Mit Maschinenpistolen und Schutzwesten bewaffnet kontrollierten sie den Fahrzeugverkehr und sicherten so viele öffentliche Veranstaltungen. Trotz der angespannten Lage ging der Tagesdienst natürlich weiter.
Ab 1982 wurden auch Frauen für den uniformierten Polizeivollzugsdienst zugelassen. Zwar ermittelten weibliche Kollegen bereits Jahre vorher bei der Kriminalpolizei, aber im Streifendienst war es nun ein ganz neues Bild. 74 der insgesamt 1660 Nachwuchspolizisten waren in diesem Jahrgang weiblich. Nach einigen Startschwierigkeiten – die Uniformen passten zunächst nicht und es gab keine Schuhe, die kleiner waren als Größe 42 – etablierten sich Frauen bei der Polizei. „Heute sind sie fester Bestandteil der Ordnungshüter und nicht mehr wegzudenken“, sagt die Polizei.
Auch technisch machte die Polizei einen Quantensprung: In den 1990er Jahren wurden die Dienststellen in Bochum, Herne und Witten sukzessive mit Computern ausgestattet. So manch ein Kollege misstraute der neuen Technik und wollte sich nicht recht von seiner Schreibmaschine trennen.
Die Zeit von 2000 bis heute
Nach den Anschlägen am 11. September 2001 in New York mit Tausenden Todesopfer war auch die Bochumer Polizei besonders gefordert. Einer der Attentäter kam aus Bochum. Über Monate hinweg bestand reger Kontakt zum amerikanischen Geheimdienst und etlichen ausländischen Medienvertretern.
Im selben Jahr erlangten zwei Bochumer Polizisten bundesweite Bekanntheit: Toto und Harry. Alles fing an mit einem Auftritt in der TV-Sendereihe „24 Stunden“. Nach einer zweiten Folge spendierte SAT1 dem Duo ein eigenes Format. Bis 2012 präsentierten die beiden Polizisten auf diese Weise deutschlandweit die Bochumer Polizeiarbeit auf der Straße.
Seit 2017 ist die Polizei auch auf Facebook und Twitter am Start
Ins neue Jahrtausend startete die Bochumer Polizei mit einer eigenen Website. Seitdem können sich Bürger rund um die Uhr über Kontaktadressen, aktuelle Fahndungen und die Behördenstruktur informieren.
Mit einem Bürgerchat ging die Polizei erstmals auf elektronische Tuchfühlung. 2017 folgte der Schritt in die sozialen Netzwerke. Seitdem ist das Präsidium auf Facebook und Twitter vertreten und informiert die Nutzer über aktuelle Einsätze und Neuigkeiten aus dem Polizeialltag.