Bochum/Essen. Eine Flüchtlingsfamilie aus Aserbaidschan kämpft in Bochum gegen die Abschiebung. Ihr Sohn (4) ist lebensbedrohlich erkrankt. Es gibt Hoffnung.
Eine in Bochum lebende Familie aus Aserbaidschan stemmt sich gegen ihre Abschiebung. Der vierjährige Sohn ist lebensbedrohlich erkrankt. Eine Rückführung in sein Heimatland könne sein Todesurteil bedeuten, warnen die behandelnden Ärzte. Die Zeichen stehen offenbar gut: Die Stadt signalisiert eine Duldung.
„Ich kämpfe für meinen Sohn“, sagt Azer Abuzerov. 2016 verließ der 32-Jährige mit seiner Frau Seadet (24) und seinen beiden Söhnen Aserbaidschan. Aus den Gründen macht der Familienvater keinen Hehl. Alibaba (heute 4) leidet seit seiner Geburt an Thalassämie: ein hierzulande seltener Gendefekt, der bei unzureichender Behandlung zu einer massiven Blutarmut, in der Folge zu Tumoren und Organversagen führt. In Aserbaidschan würde sein Junge „heute wohl nicht mehr leben“, glaubt Azer Abuzerov. Die Flucht der Familie nach Deutschland sei für den damals einjährigen Alibaba „die einzige Chance“ gewesen.
Junge wird in der Uni-Klinik Essen versorgt
In der Uni-Klinik Essen wird Alibaba seither medizinisch versorgt. Im vergangenen Januar erfolgte hier eine Knochenmark-Transplantation. „Das ist die einzige Methode, die Krankheit zu heilen“, erklärt der Direktor der Kinderklinik, Prof. Dirk Reinhardt. Es kam zu Komplikationen. Im Mai musste Alibaba nochmals für zehn Tage stationär aufgenommen werden. Aktuell fahren die Eltern mit ihrem Kind zweimal pro Woche nach Essen. Die Nachsorge u.a. mit Bluttransfusionen werde „noch mindestens ein Jahr“ in Anspruch nehmen, so Reinhardt. Dies sei für Alibaba lebenswichtig: „Diese Form der (...) Nachbehandlung ist im Heimatland nicht zu gewährleisten. Ohne diese Behandlung würde der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit versterben“, heißt es in einer Bescheinigung der Uni-Klinik. Es sei „absolut erforderlich“, dass es zu keiner Ausreise kommt, bekräftigt der Direktor.
Gleichwohl muss die Familie bangen. Das Asylverfahren war bereits im August 2018 in letzter Instanz abgeschlossen worden. Der Asylantrag wurde vom Bundesamt als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Am 13. Juni endete die Ausreisefrist. Sonst komme es zur Abschiebung, drohte das Ausländerbüro zuletzt Mitte Mai.
Zeichen im Bochumer Rathaus stehen auf Duldung
Das versetzt die in Höntrop lebende Familie in Panik. „Zumindest mein Sohn muss in Deutschland bleiben. Aber er ist doch erst vier und braucht uns!“, fleht Azer Abuzerov im WAZ-Gespräch. Jetzt gibt es Entwarnung. Während des Asylverfahrens sei es mutmaßlich versäumt worden, ärztliche Atteste für Alibaba vorzulegen, heißt es auf Nachfrage im Rathaus. Tatsächlich stammt die der WAZ vorliegende Bescheinigung der Klinik erst vom 17. Mai.
Flüchtlingsrat begrüßt Vorgehen der Stadt
Der Flüchtlingsrat NRW begrüßt das Vorgehen der Stadt. Zwar umfasse das „Nationale Abschiebeverbot“ auch lebensbedrohliche Erkrankungen von Asylbewerbern und deren Angehörigen, sagt Geschäftsführerin Birgt Naujoks. Gleichwohl sei ein Ausreisestopp in solchen Fällen „Ermessenssache der örtlichen Ausländerbehörden“.
Mit dem Ende der medizinischen Behandlung von Alibaba drohe erneut die Abschiebung. Denn: „Eine Krankheit allein ist nicht relevant für Asyl.“
Die führt nun zum Umdenken. „Bei einer offiziellen Reiseunfähigkeit wegen einer schweren Erkrankung ist eine Duldung selbstverständlich“, betont Stadtsprecher Thomas Sprenger. Zwar dürfe er aus Datenschutzgründen keine Auskünfte erteilen. Nach WAZ-Informationen darf Familie Abuzerov aber damit rechnen, dass die Ausreiseverfügung aufgehoben wird. Der Kampf des Vaters hätte – vorerst – Erfolg gehabt.