Bochum. Der Lehrer Jochen Kaymer wurde von ehemaligen Teilnehmern des Bochumer Schulzirkus Ratz Fatz mit einer Jubiläumsveranstaltung verabschiedet.
In bayrischer Tracht und mit bunten Hula-Hoop-Reifen tanzt das Duo „Die Heidis“ fröhlich über die Bühne des Varieté et cetera-Theaters. Die beiden Frauen strahlen um die Wette und balancieren immer mehr Reifen auf ihren Hüften. Dass die beiden ihre Nummer seit Jahren nicht mehr auf der Bühne präsentiert haben, merkt hier keiner im Publikum. „Die ist vor zehn Jahren im Kinderzirkus entstanden, danach haben wir sie immer mal wieder auf verschiedenen Galas getanzt“, erklärt Lara Cabello nach ihrem Auftritt.
Die 29-Jährige ist mittlerweile Kostümbildnerin und hilft ihrer Mutter Silvia Cabello, die das Varieté e cetera leitet, beim Entwerfen von Kostümen. Ihre Tanzkollegin Claudia Villas hat den Hula-Hoop-Reifen gegen das Klassenzimmer getauscht und arbeitet als Lehrerin. „Wir waren froh, dass wir noch in die Kleider reingekommen sind. Knapp, aber passt schon“, sagt Lara Cabello lachend.
Lieblingsnummern neu einstudiert
Für die meisten Teilnehmer ist es schon eine Weile her, dass sie mit dem Kinderzirkus Ratz Fatz Bühnenluft geschnuppert haben. Sie sind erwachsen geworden – studieren zum Beispiel Medizin oder Psychologie oder arbeiten als Sportlehrer. Zum 25. Jubiläum haben sie nochmal ihre Lieblingsnummern einstudiert: Jonglage, Akrobatik, Flamenco oder auch Zaubertricks. Und das alles um einen Mann zu ehren: Jochen Kaymer. Der ehemalige Lehrer der Goethe-Schule hat das Zirkustheater gegründet und 25 Jahre lang geleitet. Er darf sich das Spektakel in einem roten Thron gemeinsam mit Frau und Kindern ansehen. Für Kaymer ist die Jubiläumsgala eine Überraschung: „Ich wurde eigentlich nur zu Kaffee und Kuchen eingeladen“, so der 69-Jährige. Begeistert klatscht er bei den Auftritten seiner ehemaligen Schüler mit und ist sichtlich gerührt, wenn er nach jeder Performance eine Rose geschenkt bekommt.
Die Idee zu Ratz Fatz kam ihm nicht alleine, sondern einem Schüler, der ihn auf dem Schulhof ansprach und eine Jonglage-AG gründen wollte. „Ich dachte mir, warum nicht direkt einen Zirkus gründen. Ich hatte damals genug vom Leistungssport“, erinnert sich Kaymer. Der damalige Sport- und Sowi-Lehrer nahm die Rolle des Organisators ein und kümmerte sich um Trainer und Sponsoren. Aus einer AG der Goetheschule wurde ein Verein, der bis heute aktiv ist. Immer unter dem Motto: „Spaß bringt Erfolg, nicht umgekehrt“, erklärt Kaymer. Er ist überrascht, was aus seinen Teilnehmern geworden ist – da gibt es zum Beispiel ein Ehepaar, das sich während der Zeit bei Ratz Fatz kennenglernt hat und zwei Schüler die mittlerweile an der Artistenschule in Berlin studieren.
Jetzt probiert Kaymer neue Dinge aus
Seine Zirkus-Rente gibt Kaymer die Möglichkeit auch neue Dinge auszuprobieren: Der 69-Jährige hat sich als Seniorenstudent in der Uni eingeschrieben, spielt Tennis und ist Großvater geworden. „Es war eine schöne Zeit, aber man muss nicht an Dingen festhalten, die andere besser können.“ Damit meint er seinen Kollegen Arne Tilgen, der nun die Leitung des Kindertheaters übernehmen wird. Auf der Bühne verabschiedet er sich mit diesen Worten: „Abschied nehmen ist umso einfacher, wenn man so einen tollen Nachfolger hat. Ich schaue euch aus der Ferne zu und freue mich darauf.“