Bochum. . Das Böse ist immer und überall: 1500 Besucher feierten die Erste Allgemeine Verunsicherung in Bochum. Der Abend geriet zum schrillen Kostümball.

Ibiza, skrupellose Populisten, eine falsche Oligarchin und dreckige Fußnägel: Die schrillste politische Schmierenkomödie wird dem staunenden Publikum seit Wochen in der Heimat der Ersten Allgemeinen Verunsicherung (EAV) geboten. „Wir haben in Österreich gerade keine Regierung“, grinst Sänger Klaus Eberhartinger (68). „Und einer muss den Job ja machen.“ Den machen sie gut, die ewigen Rebellen aus der Alpenrepublik, die auf ihrer Abschiedstournee am Samstagabend im Bochumer Ruhrcongress vor allem mit ihren gesellschaftskritischen Songs und Einlagen überzeugten.

Seit 42 Jahren tritt die EAV den Beweis an, dass Kommerz und Kritik sehr wohl einen Einklang bilden, dass Unterhaltung auch etwas mit Haltung zu tun haben kann. Das verschaffte den Polit-Rockern einen bis heute ambivalenten Ruf. Ihre Nummer-1-Hits landeten sie in den 80er Jahren, hochgespült von der Neuen Deutschen Welle, mit harmlosen Spaßliedern wie „Ba-Ba-Banküberfall“, „Küss die Hand, schöne Frau“ oder „Märchenprinz“. Dabei war und ist das künstlerische Schaffen der EAV immer auch ein politisches. Der herrlich zynische Anti-AKW-Song vom verkrüppelten „Burli“ (damals mit Radioverbot belegt) zeugt davon ebenso wie „Neandertal“ als zeitlose Verhöhnung brauner Hohlköpfe oder wohltuend bissige Spitzen gegen den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Die müsse sich fragen, was für Kinder gefährlicher sei: „Internet oder Internat?“

Konzert ähnelt Kostümball mit Musikbegleitung

Die Fans sind weniger geworden. 1500 waren es in Bochum. Die jedoch erlebten die EAV ein letztes Mal in Hochform, waren begeistert von einem Konzert, das über weite Strecken einem Kostümball mit Musikbegleitung ähnelte. In immer neuen Maskeraden, mit nicht enden wollenden Requisiten untermalt die Band ihre Songs. Wirkungsvoll. Witzig. Zwischen Anspruch und Anarchie. Vor allem Frontmann Klaus Eberhartinger, aber auch das letzte verbliebene EAV-Gründungsmitglied Thomas Spitzer (66) präsentieren sich abseits von Mikro und Gitarre als veritable Komödianten – ohne, sie oben, an die derzeit wahren Meister dieses Fachs in ihrer Heimat heranreichen zu können.

„Küss die Hand“: Bochum zollt nach zweieinhalb turbulenten Stunden verdienten Applaus. Weniger der Klamauk, sehr wohl aber die kritischen Töne der EAV werden fehlen. Denn man weiß ja: „Das Böse ist immer und überall...“

WAZ-Wertung: 4 Sterne