Bochum. Tonnenweise werden bei Fritz Sieg die Kartoffeln an- und wieder ausgeliefert. Indes: Das Geschäft mit den Erdäpfeln ist deutlich kleiner geworden.

Die Bochumer Kartoffel kommt aus Laer. Auf fünf seiner 25 Hektar Land baut Landwirt Wilhelm Wiesmann sie an. Der Ertrag kann sich sehenlassen: durchschnittlich 30 bis 35 Tonnen Kartoffeln pro Hektar. Das ist eine Menge. Aber um ganz Bochum damit zu versorgen, würde es vorne und hinten nicht reichen. Schon gar nicht das ganze Jahr über. Allerdings: Der Boden, auf dem die Wiesmann’schen Erdäpfel gedeihen, eignet sich prächtig. Sagt Fritz Sieg. Und der muss es wissen. Seit 40 Jahren handelt er mit Kartoffeln. Und er ist in der Stadt der letzte seine Art. „Ich bin der letzte Mohikaner“, so Sieg. Wenn er aufhört, und das werde angesichts seines Alters von 65 Jahren, vermutlich nächstes Jahr sein, dann gebe es keinen Kartoffelgroßhändler in der Stadt mehr, der die Markthändler Bochums und einiger umliegenden Städte versorgt.

Nur noch Beilage statt Hauptgericht

Kein Wunder. Denn das Geschäft ist schwierig geworden. „Früher war die Kartoffel ein Hauptnahrungsmittel. Heute ist es nur noch eine Beilage“, so Sieg. Gerade einmal durchschnittlich 60 Kilo würden hierzulande pro Kopf vertilgt – ohne Pommes. Reichlich wenig im einstigen Königreich der Kartoffel. Und das schlägt sich auch beim Handel vor Ort nieder. „Als mein Vater in den 70er Jahren das Geschäft geführt hatte, fuhren manchmal vier bis fünf Lkw mit jeweils 25 Tonnen auf den Hof. Heute muss ich schon kämpfen, damit es ein Lkw ist. Aber in der ganzen Woche.“

Von Dienstag bis Samstag heißt es bei den Siegs in Werne: Rinne inne Kartoffeln. Nur Montag ist Ruhetag. Wie bei den Friseuren. Auf Lager hat der Großhändler in diesen Tagen zwar noch einige Säcke der alten Ernte. Lust haben die Verbraucher jetzt aber vor allem auf Frühkartoffeln. Seit einigen Wochen kommen sie aus Italien und Zypern nach Bochum. Und allmählich gibt es auch heimische Ware. Fritz Sieg bezieht sie aus Rheinland-Pfalz. Eine gute Gegend für den Kartoffelanbau. „Aber auch da gibt es Unterschiede.“

180 verschiedene Speisekartoffeln

Wie überhaupt so eine Kartoffel ziemlich individuelle Züge annehmen kann: festkochend oder mehlig, mit dicker oder dünner Schale, braun und erdig oder makellos gewaschen. „Es gibt 180 verschiedene Speisekartoffeln“, sagt Fritz Sieg. Dazu kommen noch 50 bis 60 industrielle Sorten“.

Wir kennen sie alle: Annabell, Alexandra, Cilena - und wie sie alle heißen. Dass mit den Frauen-Namen kommt nicht von Ungefähr. „Unter Kartoffelzüchtern ist es üblich, dass eine neue Kartoffelsorte nach der Tochter des Züchters benannt wird“, erzählt Fritz Sieg. Meistens jedenfalls.

Aber auch das mag sich geändert haben. Früher hat es wohl andere Gründe bei der Namensnennung gegeben. Wer tauft seine Töchter schon auf Hansa oder Grata?