Bochum. Die Jura-Fakultät an der Ruhr-Universität hat am Dienstag ein "Gerichtslabor" eingeweiht. Dort sollen Studierenden das Arbeiten in Gerichtsverhandlungen lernen. Das Projekt kostete 50000 Euro. Das wurde aus Studienbeiträgen der Studenten bezahlt.
Auf einem Lesezeichen des Bochumer Jura-Professors Peter A. Windel, das ihm der Bochumer Anwaltverein geschenkt hat, steht: „Viel Spaß bei der Theorie.” Auf der Rückseite folgt der Satz: „Aber vergessen Sie die Praxis nicht.” Das hat die Fakultät angespornt: Sie hat jetzt an der Ruhr-Universität ein „Gerichtslabor” gebaut - einen simulierten Gerichtssaal. Dort sollen die fast 3000 Studierenden trainieren, wie man sich später vor dem echten Kadi am besten durchsetzt.
Fast wie im echten Gerichtssaal, nur mit Kamera
In dem Lehrraum im Untergeschoss ist alles komplett: Ein Richterpodest, die Bänke der Kläger und Beklagten, der Zeugenstuhl, die Zuschauersitze. Auch Tisch-Mikros sind installiert. Alles wie in der echten Rechtsprechung. Mit zwei Ausnahmen: An der Wand hängen ein Porträt des Bundespräsidenten und eine Deutschland-Flagge. Und es sind Kameras installiert; was viele echte Richter scheuen wie die Pest. Anhand der Videos soll das Auftreten der Studierenden im Gerichtslabor später in Seminaren analysiert werden. Denn: Juristen taugen wenig bis nichts, wenn sie nicht auch zu überzeugen verstehen, wenn sie keine gute Rede führen können - gerade auch im Haifischbecken Gerichtssaal. „Wir bilden hier kein Wolkenkuckucksheim aus”, stellt Uni-Rektor Prof. Dr. Elmar W. Weiler klar. Das Projekt, das laut Ruhr-Uni einmalig in NRW ist, kostete 50 000 Euro - Geld aus Studienbeiträgen der Studierenden.
Streit um den Bergischen Schlotterkamm
Zur Einweihung des Gerichtslabors am Dienstagabend erschien außer juristischen Honoratioren auch ein Bergischer Schlotterkamm. Anhand dieses Hahnes demonstrierte die Fakultät, wie es in ihren Übungs-Prozessen ablaufen könnte. Der Hahn, hieß es in einer fiktiven Klage, lebe mit 50 Artgenossen direkt neben dem Fakultätsgebäude - und krähe unerträglich. Prof. Dr. Martin Burgi, der Dekan, mimte den Kläger: „Ich weiß, dass in Bochum die Sonne verstaubt. Aber bei uns schreien tief im Westen die Hähne. Es ist kein sinnvolles Arbeiten mehr möglich.” Deshalb müsse die Schlotterkamm-Zucht weg!
Der beklagte Züchter aber, Sebastian Kral (in Wahrheit Jura-Doktorant), will aber nicht weichen. Seine Zucht sei schon vor der Uni da gewesen. Das Krähen sei auch nicht irgendein Krähen - sondern das der äußerst seltenen Schlotterkamm-Rasse. Es sei „eine Melodie des Lebens, das Resultat der Kultur in Westeuropa. Der Ruf gehört einfach dazu.” Vielleicht lasse sich der Kläger aber durch die tägliche Spende von Eiern besänftigen.
Doch dieser spielt den Gnadenlosen: „Die Wahrheit kennt keine Kompromisse!” Im Übrigen: „Das Beamtenrecht verbietet mir, Geschenke anzunehmen.”
Ein Zeuge betritt den Saal. Es ist Jura-Professor Windel: „Beim Ballermann herrscht eine größere Ruhe als an dieser Fakultät!” Doch es gibt es auch eine Gegenzeugin. Eine Studentin (21): „Ich verstehe die ganze Aufregung um das Krähen gar nicht. Eine schöne Abwechslung zum Uni-Alltag.”
Strafrechtler sollen belastbarer sein
Und da ist noch ein Gutachter. Es ist in Wahrheit Strafrecht-Professor Gereon Wolters. „Es kann sein, dass der Hahn eine Stunde ganz ruhig ist. Etwa, wenn er seiner Notdurft nachgeht.” Dann aber komme es plötzlich wieder zu „Lärm-Paketen”. 65 Dezibel stark. Zivilrechtler würde das stören, Strafrechtler nicht. „Die sind belastbarer, weil sie mehr Blut im Gehirn haben.”
Der Anwalt des Züchters schaltete sich ein, Jürgen Widder (in Wahrheit Vorsitzender des Bochumer Anwaltvereins): „Es muss möglich sein, dass Hahn und Professor zusammenkommen.” Weil auch der Richter selbst, Landgerichts-Präsident Dr. Volker Brüggemann („Der Hahn schlottert ja gar nicht”), einen Vergleich anregt, einigen sich die Parteien: Der Beklagte verkleinert seine Zucht auf vier Hähne - und muss sie von 9 bis 17 Uhr in einem Stall „schalldicht verwahren”. Dann darf er bleiben.
Auch das Prozessrecht soll besser gelernt werden
Außer Rhetorik und Strategie in Gerichtsverhandlungen sollen die Jura-Studierenden im Gerichtslabor auch das Prozessrecht besser lernen. Es gibt hunderte Paragrafen. Außerdem sollen in dem „Labor” spektakuläre Prozesse aufgearbeitet werden, etwa der Fall „Marco” aus der Türkei. Außerdem soll dort das Verhalten als Jurist in Ratssitzungen und in Vertragsverhandlungen geübt werden.