Bochum. . Immer mehr Medikamente werden knapp. Davor warnen Bochumer Apotheker. Die massiven Lieferengpässe könnten für Patienten gefährlich werden.
In Bochumer Apotheken müssen Kunden immer häufiger unverrichteter Dinge wieder gehen – weil ihr Medikament derzeit nicht lieferbar ist. Als „dramatisch“ bezeichnet Apothekerin Dr. Inka Krude die Engpässe. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe warnt vor Risiken.
Herz-Kreislauf-Arzneien, hoch dosierte Schmerzmittel, Antidepressiva, Tropfen gegen Augeninnendruck oder Mittel gegen Epilepsie: Lang sei die Liste der Medikamente, mit denen Apotheker aktuell nicht oder nur mit langen Wartezeiten beliefert werden, sagt Ralph Hohmann, Vorsitzender der Bezirksgruppe des Apothekerverbandes. Oft könnten die Engpässe zwar durch andere Präparate überbrückt werden.
Umstellung auf andere Wirkstoffe
„Dafür müssen wir die Patienten aber meist zurück zum Arzt schicken, damit er die Medikation umstellt.“ Das koste nicht nur Zeit, sondern berge auch Gefahren. Hohmann: „Patienten, die mehrere Arzneimittel zugleich einnehmen müssen, könnten das neue, ungewohnte Präparat mit einem ihrer anderen Mittel verwechseln oder die Therapie ganz abbrechen.“ Gefährlich werde es dann, wenn Präparate fehlen, die in akut lebensbedrohlichen Situationen helfen: etwa Mittel, um Insektengift-Allergiker zu behandeln.
Apotheker bitten: Sprechen Sie mit uns
Was sollen Patienten tun, die von den Engpässen bei Medikamenten betroffen sind?
„Sprechen Sie mit uns“, rät Apothekerin Inka Krude. Keinesfalls sollte die Medikation allein umgestellt werden, sondern stets der Rat der Apotheke eingeholt werden. Krude: „Zusammen finden wir eine Alternative zu dem angestammten Mittel.“
„So dramatisch war es noch nie“, bekräftigt Inka Krude („Alte Apotheke“). Täglich gebe es Probleme; täglich müssten Patienten auf andere Wirkstoffe umgestellt werden, „die mitunter teurer sind als das ursprüngliche Medikament“.
Massiver Spardruck
Die Schuld geben die Apotheker den Krankenkassen, die einen massiven Spardruck auf die Hersteller ausübten. „Die Kassen handeln mit den Pharmafirmen Rabattverträge aus. Diese lassen dann Wirkstoffe günstig im Ausland, meist Asien, produzieren“, erklärt Klaus Michels, Chef des Apothekerverbandes. Für wichtige Wirkstoffe gebe es mitunter nur noch zwei Produzenten. „Wenn bei einem davon Probleme entstehen, kommt es zu den Engpässen.“ Inka Krude: „Der Druck ist so groß, dass Hersteller inzwischen überlegen, ob sie nach Deutschland liefern, wenn sie etwa in Großbritannien das Doppelte verdienen können.“
Viactiv weist Vorwürfe zurück
Die in Bochum ansässige Krankenkasse Viactiv weist die Vorwürfe auf WAZ-Anfrage zurück. „Durch die Rabattverträge sparen nicht die Kassen, sondern die Versicherten, die sonst deutlich höhere Beiträge zahlen müssten“, erklärt Sprecher Georg Stamelos. Mit den freiwerdenden Geldern könne eine hochwertige Versorgung gewährleistet werden. Die Kritik der Apotheker sei „von eigenen Interessen getrieben“. Bei der Viactiv gebe es aktuell keine Beschwerden von Versicherten über Lieferengpässe bei Medikamenten, so Stamelos.