25.000 Wohnungen für Geringverdiener fehlen in Bochum, so eine Studie. Vor allem die stadteigene Wohnungsgesellschaft VBW gerät in die Kritik.

25.000 Wohnungen für Geringverdiener fehlen in Bochum. Das ist das Ergebnis einer Studie von Berliner Wissenschaftlern im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Für den Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend ist das ein Skandal. Bochum sei damit eine Wohnungsnotstadt, ähnlich wie Bonn, Köln oder Düsseldorf. „Und von der Politik höre ich dazu kein Wort“, ärgert sich Geschäftsführer Michael Wenzel.

Stimmt nicht ganz. Die Linke greift das Thema regelmäßig auf. Zuletzt Anfang April. „Bochum bekommt die Krise beim bezahlbaren Wohnraum nicht in den Griff“, schlussfolgerte die Partei aus einer Vorlage der Stadtverwaltung. Demnach wurden 2018 nur 92 Förderanträge für den Neubau von Sozialwohnungen bewilligt. 2017 waren es noch 125. Zum Ziel gesetzt hat sich die Stadt allerdings 200.

Jeder zweite Bochumer Haushalt habe Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, sagt Wenzel. „Das zeigt doch, dass wir keine Ghettos schaffen, wenn wir Sozialwohnungen bauen.“

Kommunale VBW steht in der Kritik

Die Kritik richtet sich an Stadtplaner und die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft VBW, die zu wenig für Geringverdiener baue und andererseits im Bestand zu hohe Mieten kassiere. Im Rathaus indes ist man stolz, dass die großen Wohnbauprojekte moderne Quartiere ausweisen mit unterschiedlichsten Wohnformen für Mieter und Eigentümer.

„Die soziale Verantwortung der VBW ist nur noch mit der Lupe zu erkennen“, kritisiert Günter Gleising, Sprecher des Bürgerbündnisses Soziale Liste. Er prangert insbesondere die Mietpreispolitik des Unternehmens an, das knapp 13.000 Wohnungen in Bochum in seinem Besitz hat.

Mieterverein verweist auf Mietspiegel

„Die VBW schlägt bei jeder Gelegenheit zu“, sagt auch Michael Wenzel. Eine Stichprobe des Mietervereins von Februar zeige, dass die VBW Wohnungen im Schnitt teurer anbiete (6,93 Euro pro qm), als es der Mietspiegel (6,07 Euro) für Bochum ausweist. Genossenschaften (6,08 Euro) seien im Soll.

Von 2012 bis 2017 habe die VBW ihren Überschuss pro Wohnung um 32 Prozent gesteigert. Jeder Mieter zahle jeden Monat 50 Euro mehr als zur Kostendeckung erforderlich wäre, kritisiert Wenzel.

Stadtbaurat erkennt wichtigen Beitrag

Auch Linke und Soziale Liste beklagen die „Gewinnmaximierung“ des Unternehmens zu Gunsten des städtischen Haushaltes. Zwei bis drei Millionen Euro landen so Jahr für Jahr über die Stadtwerke im Stadtsäckel.

Stadtbaurat Markus Bradtke weist die Kritik zurück. Die VBW leiste mit dem Neubau von geförderten Mietwohnungen einen wichtigen Beitrag zur Versorgung einkommensschwacher Haushalte. „Der Anteil an öffentlich geförderten Wohnungen am Gesamtbestand der VBW beträgt rund 40 Prozent. Dieses Verhältnis möchte die VBW auch künftig halten.“

Politik bremst Wohnungsbau

Mit dem Start ihrer Wohnungsbauoffensive wollte die Stadt 2017 aber nicht nur den Sozialwohnungsbau ankurbeln, sondern den Wohnungsbau insgesamt. Jahrelang lag dieser, auch dank politischer Beschlüsse, brach (Stichwort: rot-grünes Wohnbaulandkonzept). Junge Familien zog es in Nachbarstädte.

Das neue Handlungskonzept Wohnen entfaltet langsam Wirkung. Zahlreiche Wohnungen sind im Bau beziehungsweise in der Planung. Eines der größten Projekte in Bochum ist der Ostpark. „Wir gehen derzeit von insgesamt 1300 Wohnungen aus“, sagt Stadtbaurat Bradtke. „Mindestens 350 davon werden öffentlich geförderte sein.“

Haus & Grund: Bauland ist noch immer zu knapp

Auf einer Fläche von 25 Hektar entsteht ein neues Stück Bochum: Ein- und Mehrfamilienhäuser, keine uniforme Massenarchitektur, sondern moderne, zielgruppenorientierte Quartiere sind das Ziel.

52 Prozent aller knapp 200.000 Wohnungen in Bochum allerdings gehören Privatpersonen. Zur Überwindung der Wohnungsnot in Bochum könnten auch diese beitragen, hofft die Verwaltung. „Viele unserer Mitglieder wären ja bereit, zu investieren“, sagt Jörg Ehrhardt, Vorsitzender des Vereins Haus und Grundeigentümer Bochum, der 5000 Mitglieder hat. Erstens aber sei Bauland immer noch zu knapp, zweitens vieles im Baurecht viel zu kompliziert und drittens dauere die Bearbeitung von Bauanträgen unangemessen lange. „In der Bochumer Bauverwaltung muss etwas passieren. Ein bis zwei neue Mitarbeiter reichen nicht.“

Zu wenig Personal in der Verwaltung

„Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für Bauanträge, die den Neubau von Wohngebäuden zum Inhalt haben, beträgt rund zwei Monate ab Vollständigkeit“, widerspricht Stadtbaurat Bradtke. Die Personalknappheit sei bekannt. „Es ist aber sehr schwierig, qualifiziertes Personal sowohl innerhalb der Verwaltung als auch auf dem freien Arbeitsmarkt zu finden.“ Darüber hinaus „gibt es immer noch einen hohen Krankenstand im Bauordnungsamt, der u.a. auf die hohe Arbeitsbelastung der Mitarbeiterschaft zurückzuführen ist“.

>> BEIM WAZ-FORUM KOMMEN LESER ZU WORT

Es gibt genügend Wohnungen in Bochum. Eigentlich. Laut Mieterverein sind es 198.400, davon sind 149.000 Mietwohnungen. Für eine Stadt mit rund 374.000 Einwohnern könnte das reichen.

Das Problem in Bochum aber ist, dass viele Wohnungen zu alt sind und nur 12.700 von ihnen Sozialwohnungen sind. Dabei hat jeder zweite Bochumer Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein.

Das 2. WAZ-Forum Politik, das diese Redaktion zusammen mit der Volkshochschule als Partner am Donnerstag, 16. Mai, im BVZ ausrichtet, stellt das Thema „Wohnen in Bochum“ in den Blickpunkt.

Drei Experten stellen sich den Fragen

Redaktionsleiter Thomas Schmitt spricht mit drei Gästen, Leserinnen und Leser können Fragen stellen oder Statements abgeben. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr. Als Gäste werden erwartet:

Stadtbaurat Markus Bradtke: Als „oberster Bauherr“ der Stadt wird Stadtbaurat Markus Bradtke beim WAZ-Forum Politik die Pläne der Stadtverwaltung im Bereich Wohnungsbau vorstellen. Das Handlungskonzept Wohnen, das 2017 von der Politik beschlossen wurde, ist die Grundlage aller städtischen Bemühungen.

Michael Wenzel, Geschäftsführer des Mietervereins Bochum: Insbesondere die Geschäftspolitik der VBW ist Michael Wenzel ein Dorn im Auge. Immer mehr Mieter in Bochum müssten mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die eigene Wohnung aufbringen, kritisiert Wenzel. Die VBW als stadteigene Gesellschaft sei dennoch in erster Linie auf Gewinne aus. Dass die Politik hier nicht einschreite, sei eine Schande, sagt Wenzel.

Jörg Ehrhardt, Vorsitzender des Haus- und Grundeigentümervereins: Bürokratische Hürden und Personalmangel in der Bauverwaltung beklagt der Vorsitzende des Vereins Haus und Grundeigentümer Bochum. Vielen seiner Mitglieder sei das Baurecht zu kompliziert, die Vorgänge in der Stadtverwaltung Bochum dauerten zu lange. Das Versprechen, einen Lotsen für Bauwillige zu installieren, werden nicht eingehalten.

Jetzt für das WAZ-Forum anmelden

Das WAZ-Forum Politik beginnt am Donnerstag, 16. Mai, um 18 Uhr.

Veranstaltungsort ist das Forum der VHS im Bildungs- und Verwaltungszentrum am Gustav-Heinemann-Platz 2-6.

Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung unter der Rufnummer 0201/ 804 80 58 ist aber erforderlich.