Bochum. . Fast zehn Jahre lang stand das Stellwerk in Bochum-Langendreer leer. Eine Start-up-Firma hat es wachgeküsst. Davon profitiert die Deutsche Bahn.
Männer und ihre Eisenbahn. Es ist eine Geschichte mit unzähligen Kapiteln – von vielen Bastelstunden, von fahrenden Zügen, von Lötkolben, Stellwerktechnik und nicht selten auch von ungeduldigen bis genervten Partnerinnen.
In Langendreer wird ein neues Kapitel dieser Eisenbahngeschichte geschrieben, ein wirklich außergewöhnliches, ein anderes. Es handelt von Männern, die nicht Eisenbahn spielen, sondern die Eisenbahn gestalten. Die echte Eisenbahn, die Deutsche Bahn (DB). Es geht um die RRS Rhein-Ruhr Systemtechnik am Wallbaumweg 96 b.
Ortsbesuch. Das alte Stellwerkgebäude in Langendreer hat schon bessere Tage gesehen. Die Bahn hat es 2008 stillgelegt. Seitdem haben Graffitisprayer sich an dem Haus mit der markanten Rotunde auf der hinteren Seite und dem Rundblick auf die Gleisanlage ausgetobt. Das einzig funktionierende Teil scheint noch die Bahnuhr an der Außenwand im Erdgeschoss zu sein.
„Es gab keine Fenster, alle Kupferteile waren rausgerissen.“
Auch der erste Blick ins Innere verheißt eher Abbruch denn Aufbruch. Dabei haben die Hausherren schon viel geschafft. „Sie hätten mal sehen sollen, als wir das Stellwerk übernommen haben“, sagt Markus Wernet, Student für Verkehrswirtschaftsingenieurwesen an der Universität Wuppertal. „Es gab keine Fenster, alle Kupferteile waren rausgerissen. Das war blanker Vandalismus.“
In Eigenarbeit hat die RRS-Mannschaft mit Freunden und Verwandten Ordnung gemacht und die von der Bahn aus verschiedenen Stellwerken zur Verfügung gestellte Technik eingebaut.
Es sieht nicht besonders schick aus, und die überwucherte Umgebung wirkt abenteuerlich. Aber der RRS-Geschäftsführer Wernet, ein Düsseldorfer, und seine Mitstreiter – allesamt Studenten, Azubis oder gar ein Schüler, nämlich der Bochumer Oliver Jakobus (17) – haben sich in das Gebäude verguckt. „Immer wenn ich mit dem Zug hier vorbei gefahren bin, habe ich mir gedacht, das ist das perfekte Gebäude für uns“, erinnert sich Wernet.
Test- und Entwicklungsanlage
Im September 2017 hat RRS das Stellwerk von der Bahn gemietet, hat oben in der Rotunde eine Stelltafel samt Computertechnik aufgebaut, die das Abbild des direkt davor laufenden Eisenbahnabschnitts ist, und vor allem im Erdgeschoss die eigentliche Schaltzentrale eingerichtet – mit Tausenden von Relais, die den Stellwerk-Betrieb simulieren und die Gegenstand der eigentlichen, der Pionierarbeit von RRS sind. Entstanden ist eine Test- und Entwicklungsanlage, in der an der Diagnosetechnologie zur Fehler-Früherkennung in Stellwerksanlagen gearbeitet wird. Neue Erkenntnisse über bekannte Technik.
„Stellwerke regeln den sicheren und pünktlichen Ablauf des Zugverkehrs. Wenn eines ausfällt, müssen die Züge anhalten”, erklärt Wernet. „Wir führen automatisierte Messungen an verschiedenen Stellen im Stellwerk durch und erkennen so den Zustand der Anlage. Und da wir die Schaltvorgänge im Stellwerk sichtbar machen, können wir Abweichungen vom Normalbetrieb schnell identifizieren.” Will sagen: Bevor ein Systemteil ausfällt, kann es ersetzt werden.
Genau diese Analyse interessiert die Deutsche Bahn, für die RRS tätig ist. Relais sind zwar nicht die modernste Technik. Aber noch viele Stellwerke der Bahn werden mit ihnen betrieben – und das vermutlich noch eine ziemlich lange Zeit, erklärt Markus Wernet. Daher legt die Bahn großen Wert darauf, diese Technik in gutem Zustand zu halten und eben diesen Zustand möglichst gut und schnell analysieren zu können. Dafür hat sie die junge Eisenbahnfirma engagiert.
>>> Relais-Stellwerke wurden seit den 1950er Jahren gebaut
1500 Stellwerke betreibt die DB – mit Technologien unterschiedlicher Generationen. Dazu gehören auch die Relais-Stellwerke, die von den 1950er bis in die 90er Jahre gebaut wurden.
Aufbauend auf bewährter Technik will RRS Systeme mit moderner Technik entwickeln, um die Instandhaltung zu erleichtern und zu optimieren.