Bochum. . Jasmin Wiemers-Krüger ist Europa-Beauftragte. Im Interview erzählt sie, wie Bochum von der EU profitiert und warum viel Wahlbeteiligung zählt.

Seit Anfang des Jahres ist Jasmin Wiemers-Krüger die Europa-Beauftragte der Stadt Bochum. Im Interview mit Carolin Rau hat die 36-Jährige erzählt, warum ihr die EU wichtig ist, was sie sich von der im Mai anstehenden Europawahl erhofft und warum es gerade für die Menschen im Ruhrgebiet gar nicht so schwierig sein sollte, den europäischen Gedanken zu verstehen.

Auch interessant

Was genau sind eigentlich Ihre Aufgaben als Europa-Beauftragte?

Auch wenn Brüssel weit weg erscheinen mag, betreffen 80 Prozent der EU-Gesetzgebung auch Bochum und das quer durch alle Bereiche der Stadtverwaltung. Meine Aufgabe ist es, all dies zu bündeln und zentrale Ansprechpartnerin für die Themen rund um Europa zu sein. Dabei geht es auch um die Umsetzung der Europastrategie 2020 in Bochum. Da die Themenvielfalt hierbei vom Klimawandel bis zur Arbeitsmarktpolitik reicht, bin ich natürlich nicht allein damit befasst. Wir haben zahlreiche Mitarbeiter in der ganzen Verwaltung, die mit einem Europa-Bezug arbeiten.

Sie sagen, 80 Prozent der Gesetzgebung in der EU betreffen die Kommunen. Wo merken Bochumer das?

Auch interessant

Die Osterferien stehen vor der Tür. Viele Bochumer verbringen diese im benachbarten Ausland. Dank der Reisefreiheit muss dabei niemand mehr an den Grenzübergängen warten. Ein weiteres Beispiel, was wohl jeder kennt, ist die Datenschutzgrundverordnung, die unsere Persönlichkeitsrechte stärkt. Noch nicht allzu bekannt ist die aktuelle Einigung zu einer EU-Richtlinie zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zukünftig soll Vätern europaweit nach der Geburt des Kindes ein zehntägiger Urlaub zustehen. Auch wenn die Umsetzungsdetails, wie zum Beispiel die konkrete Vergütung, noch auf nationaler Ebene geklärt werden müssen, ist die Voraussetzung dafür auf europäischer Ebene geschaffen worden. Das zeigt ganz gut, wie präsent Europa in unserem Alltag ist.

Aber nicht nur EU-Gesetze oder Reisefreiheit haben Einfluss auf das Leben in Bochum.

Auch finanziell profitiert Bochum enorm von der EU. Insgesamt wurden Bochum in dieser Förderperiode (2014 bis 2020, Anm. d. Red.) über 30 Millionen Euro Zuschüsse bewilligt. Ohne diese Gelder könnten wir den Strukturwandel kaum bewältigen und Bochum stünde bei weitem nicht so gut dar. Viele Arbeitsplätze wurden dadurch erst möglich, vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung. Es betrifft uns aber auch im Kleinen - quasi direkt um die Ecke: Der Abenteuerspielplatz an der Hüller Straße wurde beispielsweise zu großen Teilen aus EU-Fördermitteln bezahlt. Das heißt in diesem Fall 625.000 Euro.

Bei der Europawahl 2014 hat nur jeder zweite Bochumer gewählt. Foto: Ingo Otto Am 26. Mai stehen die Wahlen zum Europäischen Parlament an. 2014 lag die Wahlbeteiligung in Bochum bei 50 Prozent, 2009 waren es 38.Was schätzen Sie, wie viele dieses Mal wählen gehen?

Bei Prognosen bin ich zurückhaltend. Aber ich hoffe, sie steigt deutlich an. Denn diese Wahl ist entscheidend für die zukünftige Entwicklung der EU. Jeder von uns kann sie mit seiner Stimme beeinflussen und lenken. Als Stadt werben wir dafür, sich an der Wahl auch zu beteiligen.

Was machen Sie, damit die Wahlbeteiligung steigt?

Gemeinsam mit dem Regionalverband Ruhr starten wir Ende April die Kampagne „Meine Stimme für Europa“. Damit wollen wir auf die Wahl aufmerksam machen und aufzeigen, wie jeder von uns hier von Europa profitiert. Zudem werden wir durch verschiedene Aktionen wie zum Beispiel dem dreitägigem Europatag im Mai die EU in Bochum noch präsenter machen.

Die Wahlbeteiligung in der Vergangenheit war deutlich geringer als bei Bundestagswahlen. Was meinen Sie, warum die Identifikation mit Europa vielen so schwer fällt?

Vielleicht weil die EU abstrakt und weit weg erscheint. Aber Bochum ist Europa und Europa ist Bochum. Beide profitieren voneinander. Wir müssen es schaffen, das zu vermitteln. Gerade wir in der Metropole Ruhr leben seit Jahrzehnten das europäische Leitbild „In Vielfalt geeint“. Bei uns sind verschiedene Städte zu einer Region gewachsen, genau wie die Länder in Europa.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage an Sie: Was bedeutet Europa Ihnen eigentlich?

Ich bin Europäerin aus voller Überzeugung. Europa ist für mich die Antwort auf viele Fragen und die Lösung vieler Probleme. Jeder, der an Europa zweifelt, sollte sich an die Grundidee dahinter erinnern: nie wieder Krieg. Das allein sollte für uns alle Motivation genug sein, gemeinsam für ein starkes Europa einzutreten.