Bochum. Das Bochumer Theater Rottstraße zeigt eine beklemmende Annäherung an „1984“. Ein starkes Ensemble trägt den Abend, der in der Katastrophe mündet.
Es gibt einen Roman, der anscheinend immer aktuell sein wird. Gerade jetzt, in Zeiten turbulenter politischer Veränderungen, wo gleichzeitig über Zensur und totale Transparenz in den sozialen Medien gesprochen wird, ist dieser Text beängstigender denn je. Die Rede ist von „1984“ von George Orwell, dem Dystopie-Klassiker schlechthin, wenn es um das Thema Überwachungsstaat und Totalitarismus geht.
Wie ein You Tube-Tutorial
Seiner angenommen hat sich nun das Team des Theaters Rottstraße 5 um Theaterleiter und Regisseur Oliver Paolo Thomas. Premiere wurde am Wochenende gefeiert. Thomas hat für den Abend eine Fassung mit klugen Verweisen erarbeitet. Starke Bilder prägen die Inszenierung, wenn zum Beispiel der Top-Funktionär O’Brien (Tim-Fabian Hoffmann) die „totale Demokratie“ verkündet. Man fühlt sich erinnert an die wie Shows konzipierten Produktpräsentationen aus der IT-Welt oder an die You-Tube-Tutorials von Selbstoptimierungs-Gurus.
Langsame Erzählweise
Auch interessant
In der Welt von „1984“, in der die totale Überwachung herrscht und Privatsphäre verboten ist, versucht die Hauptfigur Winston Smith, sich wenigstens ein kleines Stück eigenes Leben und Denken zu bewahren. Er beginnt, ein Tagebuch zu führen, und zu allem Unglück hat er auch noch eine Liebesaffäre mit Julia. Weder das eine noch das andere ist erlaubt und alles endet in der Katastrophe.
Regisseur Thomas setzt auf eine langsame Erzählweise. Das textstarke Stück erinnert gar an ein altmodisches Well-made-play, aber das ist gut so. Man muss sich einlassen auf den Abend, einfach mal zuhören. Das ist wohltuend, weil man nicht dauernd mit Reizen zugeballert wird. Das wirklich hervorragende Ensemble gehört schauspielerisch zum Besten, was man seit langem auf dieser Bühne gesehen hat.
Langer Applaus
Tim-Fabian Hoffmann verkörpert seinen O’Brian als unheimlichen Zen-Buddhisten. Kristina Peters, langjähriges Schauspielhaus-Ensemble-Mitglied, ist eine fragile Julia, die sich zutiefst nach Liebe und Privatheit sehnt. Da stimmt jeder Ton und jede Geste. Und schließlich Matthias Zera als Winston, der die Entwicklung der Figur vom hoffnungsvollen Revolutionär und Liebenden bis zum gebrochenen Verräter eindrucksvoll zu Ende führt. Dazu betörende Bilder wie die Szene des Paars auf der Schaukel, ein wilder Tanz der Liebe auf unsicherem Boden, der die bittere Ausweglosigkeit vorwegnimmt.
Am Ende stand ein langer, verdienter Applaus für das Produktionsteam und einen nachhaltig verstörenden Abend!
>>> Weitere Termine:
Termine: Donnerstag (11.4) bereits ausverkauft sowie Samstag (4.5.). Beginn jeweils 19.30 Uhr, Kartenreservierung 0163/761 50 71