Bochum. . Das Schauspielhaus war von jeher ein Theater, das vor allem von seinen Schauspieler/innen lebt. Blick zurück auf große Namen und ihre Rollen.

Von Schauspielern verlangt man, dass sie nahtlos in ihrer Rolle aufgehen. Handlungsweise, Motivation und innere Verfassung der Rollenfigur sollen glaubwürdig dargestellt werden – und so die Illusion erzeugen, die verkörperte Person sei tatsächlich anwesend.

Bei den meisten Mimen von Rang gelingt das sehr gut, doch wie im Fußball gibt es auch im Reich der Bühnenkunst niedrigere und höhere Regionen, bis hinauf zur Champions’ League.

Thomas Bernhards „Am Ziel“, eine der klassischen Inszenierungen der Ära Peymann am Schauspielhaus (1981). Es spielten (v.li.) Marianne Hoppe, Kirsten Dene, Branko Samarovski.
Thomas Bernhards „Am Ziel“, eine der klassischen Inszenierungen der Ära Peymann am Schauspielhaus (1981). Es spielten (v.li.) Marianne Hoppe, Kirsten Dene, Branko Samarovski.

Wie froh können Bochums Theaterliebhaber sein, immer wieder durch solche Ausnahmekönner verwöhnt worden zu sein. Die Schauspielkunst gehört zum Markenkern des Schauspielhauses. Das Gütesiegel „Bochumer Ensemble“ hat bis heute seine Strahlkraft bewahrt.

Wunderstunden erhabener Bühnenkunst

Auch nur ein, zwei Dutzend aus 100 Jahren vorzustellen, würde schnell den Rahmen sprengen. Deshalb müssen wir uns mit wenigen Namen, die stellvertretend für viele stehen, begnügen. Beim Blick auf das Schwarz/weiß-Foto fallen gleich drei Koryphäen ins Auge: Kirsten Dene, Branko Samarovski und Marianne Hoppe, die Doyenne der deutschen Bühnen.

Gegeben wurde 1981 Thomas Bernhards „Am Ziel“, eine gallige Abrechnung mit den Lügen des Lebens, in der die Mutter (Hoppe) bös’ räsoniert, während der Dichter (Samarovski) und die sprachlose Tochter daran untergehen. Wer gesehen hat, wie Dene diesem in seiner Unmündigkeit festgefrorenen großen Kind Atem gab, die Scheu vor der dominanten Mutter und die Angst vor ihrer eigenen Freiheit zum Ausdruck brachte, wird das nie vergessen. Denes Auftritte als Thusnelda in der „Hermannsschlacht“ und als „Iphigenie“ waren weitere Wunderstunden erhabener Bühnenkunst.

Szene aus der eindringlichen „Nietzsche-Triologie“, 2005 am Schauspielhaus. Es spielten Ernst Stötzner (auch Regie), Margit Carstensen und Dörte Lyssewsk.
Szene aus der eindringlichen „Nietzsche-Triologie“, 2005 am Schauspielhaus. Es spielten Ernst Stötzner (auch Regie), Margit Carstensen und Dörte Lyssewsk. © Beck

Künstler, die mehr zu bieten haben als das Ausfüllen der jeweiligen Rolle, machen aus großen Schauspielerin überragende. Man denke an Wolf Redl als Hagen Tronje in Steckels Auftaktinszenierung „Die Nibelungen“ oder an Ilse Ritter, die mit einem Blick, mit einer Geste die Welt aufblitzen lassen konnte, ohne auch nur einen Ton zu sprechen. Wenn Ritter, Schauspielerin des Jahres 1985, sich die Zigarette anzündete, dann lag darin bereits alles, was in ihrer jeweiligen Rolle nicht aussprechbar war. Bühnenkünstler späterer Jahre, die uns begeisterten, waren Ernst Stötzner und Dörte Lyssewski in den Hartmann- und Goerden-Zeiten.

Können und überragende Präsenz von Jana Schulz

Jana Schulz.
Jana Schulz. © Ingo Otto

Und dann war da noch: Jana Schulz! Sie drückte mit Können und überragender Präsenz den Weber-Jahren den Stempel auf; in Roger Vontobels legendären, fünfstündigen „Nibelungen“ war sie als Kriemhild Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Von zärtlichster Trauer und rasendem Furor beseelt, stellte Schulz die mythische Figur als menschliches Wesen vor uns in die Jetztzeit. Und stürzte in einer weiteren, maßgeblichen Vontobel-Inszenierung als gedemütigte „Rose Bernd“ goldumflort in die Schwärze der Vergeblichkeit.