bochum. . Viel Weitsicht hat Bochum bei der Gründung von Wissenschafts- und Technikzentren bewiesen. Drei der fünf Zentren setzen auf Themen der Zukunft.

BMZ und TGW, KWL, EEZ und ZITS. Abkürzungsfanatiker hätten ihre Freude. Hinter dem Buchstabensalat versteckt sich aber keine Denksportaufgabe für Rätselfreunde, sondern eine Bochumer Erfolgsgeschichte. Es sind die Codes für die fünf Wirtschafts- und Technologiezentren unter dem Dach der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft (WEG): das Biomedizinzentrum (BMZ) in Querenburg, das Technologie- und Gründerzentrum Wattenscheid (TGW), das Kulturwerk Lothringen (KLW) in Gerthe, das Energie-Effizienz-Zentrum (EEZ) in Gerthe und das Zentrum für IT-Sicherheit (ZITS) in Querenburg – allesamt Stätten für kluge Köpfe und vielversprechende Ideen.

Hier können sich junge Unternehmen am Markt ihrer jeweiligen Branche etablieren, können wachsen und – wie nicht selten in den vergangenen Jahren – das Zentrum verlassen, weil sie buchstäblich aus dem Hort der Startups herausgewachsen sind. „Wir helfen ihnen groß zu werden“, sagt WEG-Sprecher Sven Frohwein.

So war es mit der Escrypt GmbH, die einst am Zentrum für IT-Sicherheit gestartet ist und die demnächst auf Mark 51/7 ein eigenes Hauptquartier für bis zu 500 Mitarbeiter bauen wird. Und so war es auch mit Visus, mit Medecon und mit Contec, die allesamt im Biomedizinzentrum begonnen haben und die jetzt eigene Firmenquartiere auf dem nahegelegenen Gesundheitscampus belegen.

In dem fünfgeschossigen BMZ-Gebäude mit der bunten Fassade an der nordwestlichen Ecke des Ruhr-Uni-Geländes ist momentan zwar noch etwas Platz. „Es ist jetzt zu 70 Prozent ausgelastet“, sagt Christof Weiser, der Chef aller fünf Technologie- und Gründerzentren. Aber allzu lange werden die Räume nach seiner Einschätzung nicht mehr leer stehen, nachdem in den vergangenen Monaten drei große Mieter Platz gemacht haben und einige andere schon nachgerückt sind. „Die Nachfrage nach Flächen in unseren Zentren ist sehr groß“, sagt Weiser.

Das muss an den Bedingungen liegen: ein gutes Platzangebot, eine moderne technische Ausstattung und Mieten, die – bei vergleichbaren Bedingungen – andernorts deutlich höher sein dürften.

Fünf bis 20 Millionen Euro hat jedes der Zentren gekostet; finanziert natürlich mit beträchtlichen Fördermitteln. Und wenn es gut geht, dann schreiben sie trotz der guten Auslastung am Ende des Jahres eine schwarze Null. Aber der wirtschaftliche Erfolg ist nicht das primäre Ziel. Es geht darum, den Boden für neue Unternehmen von morgen, für Arbeitsplätze, für Steuerzahler und für Technologieträger zu bereiten. Eben um Wirtschaftsförderung.

Einzigartige Zentren-Struktur

„Und da hat Bochum frühzeitig die Weichen gestellt“, sagt Christof Weiser. Biomedizin, IT-Sicherheit, Energieeffizienz – alles Zukunftsthemen, die längst in der Stadt verankert sind. Dazu kommen das Kulturwerk Lothringen (KWL) und das Technologie- und Gründerzentrum Wattenscheid (TGW). „Das ist eine einzigartige Struktur, um die uns viele beneiden“, so der Zentren-Chef. Und nach seiner Einschätzung muss es bei dem Quintett nicht bleiben. Er könnte sich weitere Zentren für zukunftsträchtige Branchen in der Stadt vorstellen.

Solid-Chem schätzt gute Beziehungen

Nicht nur die Wissenschafts- und Technikzentren der WEG schreiben eine Erfolgsgeschichte mit bislang zahlreichen Kapiteln. Auch einzelne Unternehmen können auf eine bemerkenswerte Entwicklung verweisen.

So wie etwa die Solid-Chem GmbH; ein Unternehmen, das in der Festkörperchemie zu Hause ist. „Ich habe mich vor mehr als zehn Jahren mit meinem Doktor-Vater in Essen nur mit Grundlagenwissenschaft beschäftigt“, erzählt Carsten Schauerte, Mitinhaber von Solid-Chem. Als es immer mehr Anfragen aus der pharmazeutischen Industrie gab, entschlossen sich die beiden, eine Firma zu gründen und den Weg von der reinen Wissenschaft in die Mixedzone von Wirtschaft und Wissenschaft zu beschreiten.

 Roland Boese und  Carsten Schauerte halten das Modell eines Kristallgitters (Clathrats) in den Händen.
Roland Boese und Carsten Schauerte halten das Modell eines Kristallgitters (Clathrats) in den Händen. © Ingo Otto

„In Essen gab es keinen Platz für uns“, erinnert sich Schauerte. „Aber hier in Bochum, im Biomedizinzentrum.“ Und dort sind sie noch heute, „weil Wachstum, wie es andere Firmen vormachen, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht unser Ziel ist“, sagt Roland Boese, Schauertes Doktor-Vater und Mitinhaber von Solid-Chem, einem Auftragsforschungsinstitut, das für seine Auftraggeber spezifische Analysen durchführt, die nicht selten in Patentrechtsfragen eine Rolle spielen. „Wir beschäftigen uns mit Kristallen verschiedenster Art, wobei besonders pharmazeutisch aktive Wirkstoffe im Mittelpunkt unserer Arbeiten stehen“, so Boese.

Optimale räumliche Bedingungen der Labore

Beide Gründer schätzen die optimalen räumlichen Bedingungen ihrer Labore mit den kurzen Wegen und der guten technischen Grundausstattung, die die Unternehmen mitmieten können und die von Werkstattflächen bis zu Reinraum reichen. Auch von der Nähe zur Ruhr-Uni und dem ständige Austausch mit Studenten und Wissenschaftlern profitiert Solid-Chem.

„Es gibt hier im BMZ Synergien“, sagt Schauerte. Und es gibt einen regen Austausch mit der Uni. Und so kann ein eigentlich auf die Festkörperchemie spezialisiertes Unternehmen, das sich mit der Analyse von Materialstrukturen beschäftigt, wertvolle Hilfe bei angrenzenden Fachgebieten leisten. „Wir sind wie die Ruhr-Uni in ein Projekt eingebunden, bei dem es um Blutersatzflüssigkeiten geht“, sagt Carsten Schauerte. Der Laie staunt und der Experte wundert sich.