Bochum. . Dutzende Bäume wurden in Stiepel gefällt. Anwohner sind empört, die Stadt und der Landesbetrieb Straßen-NRW stehen massiv in der Kritik.
Mehrere Dutzend Bäume hat der Landesbetrieb Straßen-NRW am Montag und Dienstag an der Kemnader Straße in Stiepel fällen lassen. Dabei wurden nach Ansicht von Anwohnern viel mehr Bäume gefällt als nötig und weit mehr vorgenommen als nur Gehölzpflegearbeiten. Die Rede ist von einem Kahlschlag. Die Kritik richtet sich nicht nur an Straßen-NRW, sondern auch an die Stadt Bochum. Denn die habe viel zu spät auf Hinweise auf die Fällungen reagiert.
Ralf Hetzler ist immer noch fassungslos. Der 56-Jährige steht an der Kemnader Straße in Stiepel, lässt den Blick über die kahlgeschlagene Fläche in der Kurve gegenüber der Zufahrt zum DLRG-Gelände schweifen und sagt: „Ich kann nicht glauben, dass das alles nötig war.“ Dutzende Baumstämme liegen auf dem Boden, Äste sind aufgeschichtet. Kaum ein Baum steht noch auf der Fläche, die bislang vom Frühjahr an bis in den Herbst ein dichtes grünes Band gespannt hat und auf der viele Tiere ein Zuhause hatten.
Unterschlupft für Rehe
„Wir haben hier regelmäßig ein Waldkäuzchenpaar gesehen – und Feldhasen“, sagt Ralf Hetzler. Ein Nachbar erzählt von Rehen, die hier unter Sträuchern oft Unterschlupf gesucht haben. Vorbei. Ganz zu schweigen von der ökologischen Funktion der Bäume, die eine vom Landesbetrieb Straßen-NRW beauftragte Gartenbaufirma aus Mülheim zwischen Oveneystraße und Gibraltarstraße zu Dutzenden buchstäblich umgelegt hat. Eichen, Kirschen, Birken, Ulmen. Die dicksten Stämme wurden bereits abtransportiert. Aber immer noch liegt viel Holz zu beiden Seiten der Straße.
Beim Landesbetrieb sprechen sie von „notwendigen Gehölzpflegearbeiten“, so der Regionalleiter Dirk Griepenburg. „Aber als ich am Montagmorgen einen Mitarbeiter angesprochen habe, nachdem die erste große Esche gefällt worden war, bin ich misstrauisch geworden“, sagt Ralf Hetzler. „Der Mann hat gesagt, ‘hier kommt alles weg. Alles ist tot’.“ Gefällt werde nur, was dementsprechend markiert worden sei, habe man ihm dann bei Straßen-NRW gesagt. Tatsächlich sei aber flächendeckend gerodet worden.
Straßen-NRW ignoriert Stilllegung
Und zwar so viel, dass die Stadt eingreifen wollte. „Wir haben die Baustelle stillgelegt, so geht es nicht“, hatte Stadtsprecher Thomas Sprenger am Dienstagmittag gesagt. Tatsächlich aber wurde noch bis in den Nachmittag gefällt, weil, so Sprenger gestern, „Straßen-NRW sich nicht an die Stilllegung gehalten hat. Es wurde dort einfach weiter gearbeitet.“
Regionalchef Griepenburg schildert das anders. Vielmehr sei, nachdem am Dienstagmittag zwischen Stadtbaumpfleger Marcus Kamplade und einen Straßen-NRW-Mitarbeiter Einvernehmen über die weiteren Arbeiten geherrscht habe, erst später vom Ende der Arbeiten die Rede gewesen. Griepenburg: „Ich habe dann versucht, den Technischen Beigeordneten der Stadt zu erreichen. Das ist mir aber nicht gelungen.“ Deshalb seien die Arbeiten fortgesetzt worden.
Aus Sicht der Stadt ist das ein Unding. „Die Verantwortung für den Kahlschlag liegt bei Straßen-NRW“, sagt der Stadtsprecher. Empörung herrsche in der Verwaltung bis in die Stadtspitze vor allem darüber, dass sich der Landesbetrieb über eine gerade erst getroffene Vereinbarung hinweggesetzt habe. Größere Maßnahmen sollten gegenüber Stadt und Öffentlichkeit kommunziert werden. Sprenger: „Und das ist ausgeblieben. Wir wussten gar nichts vom Umfang dieser Arbeiten bis Anwohner uns darauf aufmerksam gemacht haben.“
Selektive Bestandspflege und ganzflächige Arbeiten
„Straßen-NRW startet in die Gehölzpflegesaison 2018/19“ meldete der Landesbetrieb am 1. Oktober 2018 – also vor fast fünf Monaten.
In der Liste der geplanten Maßnahmen ist unter Dutzenden Punkten auch der folgende zu finden: „L551 Abschnitt 9 bei: Bochum (kreisfreie Stadt: Bochum): selektive Bestandespflege, ganzflächige Arbeiten“.
Der Landesbetrieb argumentiert, doch im Herbst die Maßnahme in Stiepel angekündigt zu haben. „Sicher wäre es besser gewesen, gerade beim Umfang dieser Arbeiten noch einmal die Anwohner zu informieren“, räumt Regionalchef Griepenburg ein. Ansonsten sieht er keinen Grund zur Kritik an seiner Behörde. „Das waren Pflegearbeiten, die wir im Rahmen unserer Konzepte erledigen.“ Die Vermutung, der Ertrag vom Verkauf des Holzes könnte eine Rolle dabei gespielt haben, dass so viel abgeholzt wurde, sei falsch.
Stadt wusste schon Montag Bescheid
Indes: Auch die Stadt hat, so die Kritik von Ralf Hetzler, keine rühmliche Rolle gespielt. Er habe den Stadtbaumpfleger schon am Montagmorgen telefonisch vom drohenden Umfang der Fällungen berichtet. Dieser habe abgelehnt, nach Stiepel zu kommen und stattdessen auf die Zuständigkeit von Straßen-NRW verwiesen. „Damit hat er richtig gehandelt“, sagt Stadtsprecher Sprenger. Der Landesbetrieb sei eine eigenständige Behörde – und habe, von der Unteren Naturschutzbehörde angesprochen, versichert, es würden nur Pflegearbeiten ausgeführt. „Und wenn man so einer Behörde nicht glauben kann . . .“