Bochum. . Ein in Bochum entwickeltes Programm entschlüsselt anonyme Webseiten-Besucher. So lässt sich Interesse ausmachen und der Verkauf ankurbeln.

Es gibt Berufe und Unternehmen, über deren Tun gibt es keinen Zweifel: Architekten entwerfen Häuser, Kfz-Werkstätten reparieren Autos, IT-Firmen entwickeln Software. Aber was macht ein Online-Marketing-Unternehmen?

Platt gesagt, es versucht Produkte und Dienstleistungen über das Internet an den Mann und die Frau zu bringen. Salesviewer hat dazu eine ganz besondere Methode – ein Tool, wie es im Fachjargon heißt – entwickelt. Mit diesem Tool werden anonyme Webseiten-Besucher entschlüsselt und damit Daten für Kontaktaufnahme und Verkauf geliefert. Und das ist offenbar ein ziemliches Pfund. Denn: „Weit über 90 Prozent der Besucher einer Webseite verlassen diese, ohne Kontakt zum werbenden Unternehmen aufgenommen zu haben“, erklärt Salesviewer-Gründer und Geschäftsführer Benjamin Zaczek. Jede Menge Verkaufspotenzial also, das es zu erschließen gilt.

Jeder hinterlässt einen Fingerabdruck

Wie das geht? Eigentlich ganz einfach. Jeder Besucher hinterlässt über Cookies und andere Verfahren sozusagen einen Fingerabdruck auf der Seite. Diese Daten liest Salesviewer aus und liefert seinem Nutzer ein Besucherprofil, mit dessen Hilfe potenzielle Kunden zielgenau angesprochen werden können.

Benjamin Zaczek demonstriert es am Bildschirm. Beim Besuch in den neuen Unternehmensräumen an der Bongardstraße, der einstige Gründer ist mit seiner Firma gerade erst von Wattenscheid in die Bochumer City gezogen, gewährt er einen Blick auf aktuellen Daten. Firma A wurde gerade von Unternehmen Z besucht, das sich acht Minuten lang auf der Internetseite von A aufgehalten und mit dessen Preisen und Leistungen beschäftigt hat.

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Wer von diesem Besuch und dem speziellen Interesse weiß, der hat gute Ansatzpunkte, um Unternehmen Z anzusprechen und möglicherweise zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Angebot um die Ecke zu kommen. Ein bisschen gruselig wird es sogar, wie Gründer Zaczek gesteht, wenn man in einem Video genau verfolgen kann, welche Bewegungen der Nutzer auf der Seite gemacht und welche Funktionen er ausgewählt hat.

„Es geht um große Datensätze, um Big Data.“

„Spooky“, sagt Zaczek. Sozusagen wie von Geisterhand. Aber mit Übersinnlichem hat das von ihm entwickelte und nun gemeinsam mit seinem Kompagnon Vivian Seidel weiterentwickelte Tool nichts zu tun. „Es geht um Big Data. Um große Datensätze, moderne Analysemethoden und um den richtigen Algorithmus.“

Und um Service. Dank diverser Schnittstellen mit anderen Programmen können die Vertriebsexperten, die Salesviewer nutzen, auch gleich herausfinden, wer bei der Firma, die ihren Fingerabdruck hinterlassen hat, etwa für den Einkauf und für die großen Entscheidungen zuständig ist. „Und das alles auf einen Blick, in einer Zeile“, sagt Benjamin Zaczek, der vor allem auf diese schnelle Übersicht im modifizierten Salesviewer stolz ist. Anfang März kommt die neue Variante auf den Markt.

Kein Verstoß gegen die DSGVO

Bedenken wegen des Datenschutzes zerstreuen der Mann, der sich schon mit 18 selbstständig gemacht hat und der auch eine Werbeagentur betreibt, und sein Geschäftspartner. „Bei der neuen Datenschutzgrundverordnung geht es um personenbezogene Daten. Unser Tool zeigt aber nur unternehmensbezogene Daten“, sagt Vivian Seidel. Salesviewer-Nutzer wissen, dass Firma X oder Y auf der Webseite der Firma A oder B war; nicht aber um welche Person es sich handelt. Ein großer Unterschied für und in der DSGVO. „Wir sind auf der sicheren Seite“, sagt Seidel.

1500 Kunden hat Salesviewer mittlerweile; viele kleine, aber auch große wie die Online-Jobplattform Stepstone, der Industriegas-Riese Linde, aber auch die Bochumer Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft. Es kann schließlich nie schaden, zu wissen, wer mit welchem Interesse, auf der eigenen Internetseite unterwegs war.