Bochum. . 19 Jahre lang hat Werner Dwornik in einem Zechenhaus nahe der Zeche Hannover gelebt. Zum 90.Geburtstag kehrt er mit seiner Familie zurück.

Man könnte es auf den Fußboden schieben, dass Werner Dwornik ein bisschen wacklig dasteht. Das alte Zechenhaus Am Rübenkamp ist krumm und schief, bis zu 50 Zentimeter Höhenunterschied, Risse an den Wänden, Klammern halten das Gebäude. „Wenn die Mama wischte, floss das Wasser immer unter’n Schrank“, sagt Dwornik.

Doch es sind nicht nur die Bergbauschäden an seinem früheren Zuhause, die ihm das Gehen und Stehen schwer machen, es ist das Alter: Werner Dwornik feiert heute seinen 90. Geburtstag. Seine Familie hat den Besuch im Haus Nr. 6 organisiert, das heute zum LWL-Museum gehört. 1937 ist Dworniks Familie dort eingezogen: die Eltern mit ihren zwei Töchtern und dem damals siebenjährigen Sohn, „weil die Miete besonders billig war“. Außerdem durften sie den großen Garten und die Stallungen nutzen, hielten Schweine, Hühner, Kaninchen und Gänse, „die dann aber weggeflogen sind“.

Mit seinen Anekdoten unterhält Werner Dwornik seine Geburtstagsgäste. Lehre auf Zeche Hannover

Der Vater arbeitete auf der nahegelegenen Zeche Hannover, erst als Gesteinshauer, später als Kohlenhauer; 1943 fing auch sein Sohn Werner eine Lehre auf der Zeche an, nicht unter Tage, sondern als Industrie-Kaufmann. Eine Berufswahl, der er wohl sein stolzes Alter verdankt. Die Staublunge der Bergleute unter Tage, an der auch sein Vater gestorben ist, blieb ihm erspart. 19 Jahre seines Lebens hat er nur einen Steinwurf entfernt von der Zeche verbracht, und jetzt, in der ehemaligen Wohnküche der Dworniks mit ihren grün gestrichenen Holztüren und den rotlackierten Dielen, strömen die Anekdoten nur so aus ihm heraus: von den Labinskis nebenan, deren kleiner Fritz mal die Schüssel hielt, um das Blut für die Blutwurst aufzufangen weil Dworniks Mutter das vor Aufregung nicht konnte. Vom Samstags-Bad in der Zinkwanne, erst durften die Schwestern ins Wasser, dann der Bruder. Vom Winter, wenn sie um den Ofen in der Küche saßen und die Füße hineinsteckten, weil es ja keine Heizung gab. Von seiner Angst, wenn er in den Schweinestall gehen sollte – denn dort saßen die Ratten auf den Trögen und fraßen gemeinsam mit den Schweinen. „Ich habe dann immer am Schloss gerappelt, bis der ganze Rübenkamp wach war.“

Tränen nach der Schlachtung des Schweines

35 Menschen lebten auf 130 Quadratmetern

Die drei Zechenhäuser in der Straße Am Rübenkamp wurden 1890 von drei Steigern als Privathäuser errichtet. Bis zu 35 Menschen lebten damals in jedem der etwa 130 Quadratmeter großen Häuser.

Anfang 1900 wurden die Häuser von Krupp aufgekauft, um Klagen wegen Bergbauschäden zu vermeiden.

Die Kinder und Enkel stehen um Werner Dwornik und seine Schwester Maria (85) herum, bestens unterhalten von den Erzählungen aus einer anderen Zeit – auch wenn sie die meisten schon längst kennen. „Erzähl doch nochmal die Bonbon-Geschichte“, ruft jemand. „Oder wieviel Arbeit das war, die Wäsche zu waschen.“ Oder, oder, oder. Und Werner Dwornik erzählt. Vom Schwein, das sie Peter nannten und das immer sofort angetrabt kam, wenn Maria in den Garten ging. Als es geschlachtet wurde, habe seine Schwester furchtbar geweint. Nie wieder hätten sie danach den Schweinen Namen gegeben.

Das Ambiente haucht den Geschichten Leben ein, es ist ja alles noch da in diesen alten krummen Mauern. Irgendwann gehen sie gemeinsam in den Garten – und so richtig verwundern würde es wohl keinen, käme Peter jetzt tatsächlich um die Ecke getrabt.