Bochum. . Das Familienstück „Alle Jahre wieder“ hinterfragt die Rituale von Verwandtschaftsfesten. Geboten wird spielerisches Theater mit Anspruch.
„Alle Jahre wieder“ heißt das Familienstück des Schauspielhauses, das am Samstag im nicht ausverkauften Großen Haus Premiere hatte. Vom Titel darf man sich allerdings nicht täuschen lassen: Hier wird keine mürber Weihnachtsschinken serviert, sondern Theater, das zupackt. Und das nicht nur das christliche Fest der Liebe in den Schwitzkasten nimmt.
Man kann es getrost so ausdrücken, denn Hannah Biedermanns Inszenierung macht sich vor gar nichts Bange, pickt sicher auch die Tabuthemen von Familienfeierlichkeiten auf, ohne aber insgesamt auf versöhnliche Töne zu verzichten. Die Regisseurin und das Ensemble haben das kunterbunte, flackernde, internationale (es wird mehrsprachig agiert) und immer überraschende Stück unter Mithilfe Bochumer Kinder entwickelt.
Schulkinder reden mit
Worum es geht, ist scheinbar leicht. Und doch schwer zu sagen. Familienfeste kennt jeder, den 80. Geburtstag von Opa, Ostern, Weihnachten, das Passah- oder das Zuckerfest. Jedes Fest besteht aus Gewohnheiten, es werden Geschenke ausgepackt, es wird getanzt, gegessen und auch gestritten. Aber warum ist das so? Um dem auf die Spur zu kommen, wurden Schulkinder nach ihren Erfahrungen mit Familienfeiern befragt. Die Interviews flossen mit Ideen der sieben Schauspieler zusammen, und Schnipsel der Kinderaussagen werden während der Aufführung eingespielt.
So formt sich eine Collage, die sich am richtigen Leben orientiert und doch eine fantastische Welt eröffnet. Dafür sorgen schon die abgefahrenen Kostüme von Mascha Bischoff. Und das ungemein spielfreudige Ensemble, das sich vom lebenden Tannenbaum bis zum rosa Kaninchen für keinen Ulk zu schade ist. So vergehen 90 Minuten wie im Flug, und die Botschaft ist immer klar: Toleranz, Verständnis für andere, Miteinander statt Gegeneinander.
Weitere Vorstellungen bis in den Januar hinein
Nachmittags- und Abendvorstellungen von „Alle Jahre wieder“ gibt es wieder am 1., 2., 9., 25., 28., 30. Dezember. Im Januar folgen zahlreiche Schulvorstellungen in den Vormittagsstunden.
Tickets und Infos zu den Terminen unter 0234/3333-5555
Vielleicht ist das der einzige Wermutstropfen, dass nämlich zu viel theoretischer „Überbau“ ins Spiel eingeflossen ist. Die schrägen und radikalen Szenenwechsel von der türkischen Hochzeit zum schunkelseligen Karneval sind das Eine, die Thematik des Schächtens von Schafen, des Begießens von Gräbern mit Schnaps im katholischen Münsterland oder die Angst des abgeschmückten Tannenbaums vor dem Shredder sind Dinge, die ein gewisses Alter voraussetzen. Das Einstiegsalter 6 Jahre ist für diese so knallige wie fordernde Aufführung definitiv zu niedrig angesetzt.