Bochum. . Wie viel grüne Freifläche darf und wie viel Gewerbefläche muss sein? SPD und Grüne, Koalitionspartner in Bochum, stehen vor einer Grundsatzfrage.
Die Sache schien klar zu sein. Industrie und Gewerbe sollten im südöstlich gelegenen Dreieck des Autobahnkreuzes A43/44 ebenso keinen Platz haben wie westlich des Gewerbegebiets Wattenscheid-West. Zweimal hatte der Rat jeweils Ende 2016 und 2017 mehrheitlich gegen den Vorschlag der Verwaltung gestimmt, dem Regionalverband die insgesamt gut 40 Hektar großen Freiflächen als mögliche Gewerbeflächen zu melden.
Rat beschließt erst im Januar
Nun bringt sie Bochums Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme zum Regionalplanentwurf wieder auf die Tagesordnung – und damit die Grünen-Fraktion im Rat in Rage. „Es ist schon dreist, dass die Verwaltung konsequent ignoriert, dass die Mehrheit des Rates kein Interesse daran hat, regionale Grünzüge zu zerstören“, sagt Grünen-Fraktionsvorsitzende Astrid Platzmann. Verärgert ist sie auch darüber, dass die Verwaltung Bochums Stellungnahme ohne Absegnung durch den Rat bereits in die Vorberatungen der am Planentwurf beteiligten Städte am 30. November einbringt, obwohl der Rat erst im Januar darüber abstimmt.
Das hat Zündstoff – nicht nur wegen des vermeintlichen Alleingangs der Verwaltung. Die Frage ist, ob die bereits in den beiden Vorjahren in der Koalition von SPD und Grünen heftig geführte Debatte darüber, ob Grünflächen der wirtschaftlichen Entwicklung geopfert werden oder erst alle industriellen Brachflächen aufbereitet werden müssen, zur Existenzfrage des Bündnisses werden. „Es läuft auf ein Endspiel hinaus“, heißt es bei den Grünen. Nächste Woche soll das Thema in der Koalitionsrunde auf den Tisch kommen.
Derweil schlägt SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Reinirkens erste Pflöcke ein. Mit einer Nutzungsänderung des Areals an der A43/44 tue er sich sehr schwer, auch weil immer noch eine frühere Vereinbarung gelte, dass eine Erweiterung des Gesundheitscampus auf dem Springorumgebiet erfolgen soll. Mit einer Veränderung in Wattenscheid-West könne er sich dagegen „anfreunden“. Die Empörung der Grünen über das vermeintliche Vorpreschen der Verwaltung führt Reinirkens auf „eine sehr zugespitzte Interpretation des Koalitionspartners“ zurück; zumal auch die SPD immer gesagt habe, sie habe in Sachen Gewerbegebietpotenziale noch Gesprächsbedarf.
Chance für Gesundheitscampus 2
Die Befürworter einer Umwandlung von Grün- in Gewerbeflächen befürchten, die Stadt könnte schon bald – wie einige Kommunen drumherum – der Wirtschaft keine Flächen mehr zur Verfügung stellen können. Allen voran der oberste Wirtschaftsförderer Ralf Meyer, Geschäftsführer der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft (WEG), und Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) machen sich stark für die Freiflächenumwandlung – gerade in Querenburg. Dort sehen sie die Chance, die Erfolgsgeschichte des beinahe ausverkauften Gesundheitscampus’ fortzusetzen. Im Sommer hatte Eiskirch beim Jahrestreff im Justizzentrum angedeutet, es liefen Überlegungen, den Gesundheitscampus 2 im Umfeld der Uni anzusiedeln.
>>> Deponie soll geschlossen bleiben
Bei der Umnutzung des Areals südlich der A43/44 rund um das Tierheim versucht es die Verwaltung mit einem Kompromissvorschlag: Nur noch 13 statt vorher 22,9 Hektar sollen gewerblich genutzt, zugleich für einen Flächenausgleich in der Stadt gesorgt und die Nutzung auf die Schwerpunkte Gesundheitswirtschaft sowie Forschung/Technik konzentriert werden. Das in dem Areal gelegene Tierheim soll in das Konzept integriert werden.
An anderen Stelle ihrer Stellungnahmen zum Regionalplanentwurf spricht sich die Verwaltung für den Schutz der Natur aus. Die geschlossene Deponie Marbach sollte nicht mehr – wie vom Eigentümer gewünscht – in Betrieb genommen werden. Das von einer möglichen Straßenbebauung bedrohte Werner Feld (Werne) sollte zum Freiraum erklärt werden, da die zwischenzeitlich erwogene Norderschließung des früheren Opel-Areals als „weniger vorteilhaft eingeschätzt“ wird.