Bochum. In „White People’s Problems/Evil Dead“ rechnet Benny Claessens mit der Arroganz des Westens ab. Für seine Performance braucht man starke Nerven.

Seid Ihr bereit? Mit „White People’s Problems/The Evil Dead“ bringt der belgische Schauspieler und Regisseur Benny Claessens in der Zeche 1 eine Aufführung heraus, die verstörend und zerstörend zugleich ist.

Zwar seien die Bühnen Westeuropas um Political Correctness bemüht, aber das ist auch schon alles, hat Claessens festgestellt: „Die tradieren Rassismen und Sexismen sind noch lange nicht aus unseren Köpfen und Körpern verbannt.“ Im Kern geht es ihm um die Frage, wie sehr auf den Bühnen des Westens unbewusst tradierte Rassismen und Sexismen mitschwingen. Theater in Deutschland werde nach wie vor von weißen Männer dominiert, erklärt Claessens. Aber warum ist das so? Spiegeln die Probleme dieser Gruppe tatsächlich das Denken des Publikums? Das der Frauen? Und was ist mit queeren Zuschauern?

„Die Weber“ werden begraben

Szene mit Anne Rietmeijer, Ann Göbel, Thelma Buabeng, Jing Xiang .
Szene mit Anne Rietmeijer, Ann Göbel, Thelma Buabeng, Jing Xiang . © JU Bochum

Entsprechend ist seine für Bochum projektierte Inszenierung eine Herausforderung, für die man starke Nerven braucht. In der zum Schauspielhaus gehörenden Zeche 1 setzt der hoch gelobte belgische Schauspieler und Regisseurvoll auf Schockeffekt. Zwar basiert „White People’s Problems/The Evil Dead“ auf Gerhart Hauptmanns Dramen „Die Weber“ und „Vor Sonnenaufgang“, aber natürlich bleibt davon nicht viel übrig. Text-Fragemente zweier Referenz-Werke des naturalistischen Theaters werden im abgerockten Ambiente der Zeche 1 – einer alten Waschkaue – buchstäblich begraben; die Kumpels der Zeche Prinz-Regent kriechen als Untote wieder hervor.

Spielfreudige Schauspieler

 
  © Campo

Benny Claessens (36) verrührt Fantasien, Ideen, Ängste, Vermutungen, Gewissheiten, Obsessionen und Selbstzweifel über Politik und das Verhältnis der Geschlechter zu einem brodelnden Absud, der nach Leichenhaus, Erniedrigung und sexueller Ausbeutung schmeckt – also nach allem, was europäischer Kolonialismus für Afrika mit sich brachte. Und was bis heute nicht nur in der Ausbeutung des Planeten nachwirkt. So vermittelt sich eine Kunsterfahrung, die schwer gewöhnungsbedürftig ist; nicht zuletzt, weil die Aufführung vier (!) Stunden dauert.

Wer sich aber darauf einlässt, wird nicht nur durch spielfreudige Schauspieler entschädigt. Herausragende junge Kräfte wie Anne Rietmeijer, Ann Göbel, Thelma Buabeng, Jing Xiang und William Bartley Cooper sind wie leibhaftige Aufputschmittel in einer Aufführung, die bei aller assoziativen Rohheit immer auch politisch, poetisch und - ja! - witzig ist.

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