Bochum. . Hier zählt nur der Spaß: Fünf Kinder mit Down Syndrom trainieren im Bochumer Turnzentrum. Die Turn-WM im Juli hat damit ein positives Nachspiel.
Luise baumelt gern an der Stange. Lara strahlt beim Laufen und Springen. Leif stürzt sich mit großem Hallo ins Schaumstoffbad. „Ist das nicht herrlich?“, fragt Dietrich Spiegel, während er kleine Hilfestellungen und freundliche Kommandos gibt. Training im Turnzentrum Bochum mit seinen 700 Sportlern. Alltag. Und doch etwas Besonderes: Seit dem Sommer sind auch Kinder mit Down-Syndrom an der Harpener Heide aktiv.
In Deutschland leben rund 50.000 Menschen mit der Chromosomenstörung Trisomie 21. Wie nicht nur liebenswert und lebensfroh, sondern auch leistungsfähig sie sind, zeigte sich im Juli, als das Turnzentrum die Turn-Weltmeisterschaft für Sportler mit Down-Syndrom ausrichtete. Athleten aus aller Welt reisten nach Bochum. Aus Deutschland war niemand dabei. „Es ist traurig“, konstatiert Stützpunktleiter Dietrich Spiegel, „aber bei der Sportförderung für ,Downies’ sind wir international ein Entwicklungsland.“
Familie verfolgte Turn-WM vor Ort
Umso glücklicher ist der ehemalige Gymnasiallehrer, dass die WM nun ein sportliches Nachspiel findet. Fünf Eltern haben ihre Kinder angemeldet. So wie Peggy Block. „Wir haben damals in der WAZ von der Turn-WM gelesen“, berichtet die 44-Jährige.
Vor Ort verfolgte die Familie die Wettkämpfe. Schnell war klar: Das ist was für Luise. Die Siebenjährige ist zwar schon in einem Sportverein. „Aber hier, in einer kleinen Gruppe, erhoffen wir uns eine gezieltere Förderung“, sagt die Altenbochumerin, schaut auf und lächelt, als ihre Tochter mal wieder an der Reckstange hängt. „Ihr gefällt’s super. Wir sind sehr zufrieden.“
Kuscheln als Aufwärmprogramm
Rabea Kögel-Scholz (45) hat von einer befreundeten Mutter von der neuen Gruppe erfahren: „Wir sind gut vernetzt.“ Viermal war sie mit ihrem sechsjährigen Sohn Leif inzwischen hier. „Er mag Bewegung und ist nach dem Training viel ausgeglichener. Ich habe den Eindruck, dass auch seine kognitiven Fähigkeiten besser werden“, beobachtet die Weitmarerin.
Lob hält auch Filiz Esen bereit. Ihre fünfjährige Tochter Lara sei jede Woche mit Begeisterung bei der Sache. „Solch ein Angebot hat uns gefehlt“, sagt die 42-Jährige und weiß: „In anderen Ländern gibt es längst eigene Vereine für Menschen mit Down Syndrom.“
Turn-Experte lernt dazu
Auch interessant
Dietrich Spiegel wäre „zunächst einmal dankbar, wenn sich die neue Gruppe etabliert“. Im Zuge der WM war der 71-Jährige erstmals mit Sportlern mit Down Syndrom in Kontakt gekommen. Seither lernt der Turn-Experte stetig dazu.
Etwa, dass möglichst zwei Trainer im Einsatz sein sollten: „Die Kleinen gehen gerne mal ihre eigenen Wege.“ Oder dass die Kinder besonders warmherzig sind: Kuscheln gehört in der Gruppe zum Aufwärmprogramm.
Die Titelkämpfe im Sommer haben eindrucksvoll dokumentiert, dass Athleten mit Down Syndrom trotz ihrer Einschränkungen (insbesondere eine Muskelschwäche) Leistungssportler sein können. Vom Schneller-Höher-Weiter-Gedanken ist Dietrich Spiegel aber weit entfernt. Spaß sollen die Kinder haben. Das allein ist, was zählt. Beim Baumeln. Beim Laufen und Springen. Beim Sturz kopfüber ins Schaumstoffbad.