Bochum. . In einer Beschäftigungsgesellschaft will Bochum den Sozialen Arbeitsmarkt organisieren. Strittig ist, ob es dies allein oder interkommunal macht.
Große Vorbehalte gibt es in Teilen der Politik gegen den Einstieg Bochums in die gemeinnützige Arbeitsförderungsgesellschaft Gafög. Die Verwaltung empfiehlt den baldigen Beitritt, nachdem der Rat 2017 die Gründung einer kommunalen Beschäftigungsgesellschaft beschlossen hatte.
„Die allerdings hatten wir uns ganz anders vorgestellt“, monierte Ratsmitglied Erika Stahl (CDU) im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ihr Fraktionskollege Marcus Stawars sprach von einer Leiharbeitsfirma, die den eigentlichen Aufgaben einer Beschäftigungsgesellschaft nicht gerecht werde. Sabine Mantesberger-Wieschemann (FDP/Stadtgestalter) stellte die Frage, welche Bilanz die Gafög aufzuweisen habe und wie vielen Langzeitarbeitslosen sie den Weg in den ersten Arbeitsmarkt geebnet habe. Und: „Was macht die Gafög eigentlich besser als die Bochumer Beschäftigungsträger?“
Eigene Träger nicht gehört
Dass diese im Vorfeld nicht gehört wurden, ist ein weiterer Kritikpunkt. „Bevor wir etwas beschließen, sollten wir uns mit denen, die seit Jahren gute Arbeit leisten, an einen Tisch setzen“, so Marcus Stawars. Tatsächlich spricht Jobcenter-Geschäftsführer Frank Böttcher von einer „guten Zusammenarbeit mit dem Verbund der Bochumer Träger“. Er deutete indes auch an, dass die Sorge des Verbundes, Bochums Engagement bei der Gafög könnte große Teile der neuen Bundesmittel für den Sozialen Arbeitsmarkt abziehen, unbegründet sei.
Denn nicht nur mit den bis 2022 jährlich zu erwartenden 7,5 Millionen Euro, auch mit den bisherigen Mitteln der Eingliederung in den Arbeitsmarkt könnten Langzeitarbeitslose über längere Zeit unterstützt werden. Es müsse nicht bei den kalkuliert 300 geförderten Personen bleiben. Böttcher: „Es können deutlich mehr werden.“ Der Bedarf von Stadt und Stadttöchtern an Mitteln aus dem Sozialen Arbeitsmarkt, die über eine Anstellung bei der Gafög bei den Langzeitarbeitslosen landen sollen, beläuft sich auf 130 Stellen pro Jahr.
Bei aller Kritik, so der Jobcenter-Geschäftsführer: Das Instrument des Sozialen Arbeitsmarktes, sollte es vom Bund beschlossen werden, „gibt uns zum ersten Mal seit Einführung des Sozialgesetzbuches II vor 13 Jahren die Möglichkeit, wirklich etwas für die Langzeitarbeitslosen zu tun.“
Der Kreis der in Frage kommenden Personen, jene, die in den vergangenen acht Jahren mindestens sieben Jahre lang Leistungen vom Jobcenter bezogen haben, ist riesig. Es geht um 4000 Menschen. 2500 von ihnen bereitet das Jobcenter derzeit perspektivisch vor.
Linke fordert eigene Gesellschaft
Erst einmal aber muss die Politik entscheiden, ob eine eigene Bochumer Beschäftigungsgesellschaft gegründet werden soll, so wie es die Fraktion der Linken fordert. Der Nachteil, so die Verwaltung, wären u.a. hohe Overheadkosten. Oder ob Bochum der Gafög beitreten soll, was günstiger wäre und schneller vonstatten ginge. Zwei Jahre, so schätzt Sozialdezernentin Britta Anger, würde es dauern, eine eigene Gesellschaft funktionsfähig aufzubauen.
Unterstützung erhält die Verwaltung mit ihrem Vorschlag von den Grünen, deren Ratsmitglied Katharina Schubert-Loy die Kritik vom Beitritt zur Gelsenkirchener Gafög u.a. mit dem Argument konterte, sonst sei interkommunale Zusammenarbeit doch ausdrücklich erwünscht. Und auch die SPD ist nicht abgeneigt, dem Verwaltungsvorschlag zu folgen. Indes hat sie wie andere Fraktion auch noch viele Fragen. Vorschlag zur Güte von AfD-Ratsherr Wolf-Dieter Liese: Die Verwaltung sollte Für und Wider einer eigenen Beschäftigungsgesellschaft und des Gafög-Beitritts gegenüberstellen. Denn: „Über das Ziel sind wir uns alle einig. Nur über den Weg dorthin noch nicht.“
>>Beschäftigungsträger fühlen sich übergangen
Im Vorfeld hatte der geplante Einstieg Bochums in die gemeinnützige Arbeitsförderungsgesellschaft Gafög mit Sitz in Gelsenkirchen Protest und Fragen ausgelöst. So ruft das Vorhaben der Stadt, mit zusätzlichen Bundesmitteln für den Sozialen Arbeitsmarkt 130 Langzeitarbeitslose für niedrigschwellige Hilfstätigkeiten bei der Stadt (65) und bei den Stadttöchtern (65) über die Gafög einzusetzen, beim Kooperationsverbund Arbeit und Bildung in Bochum Unverständnis hervor. „Wieder einmal werden die Bochumer sozialen Beschäftigungsträger völlig übergangenen“, beklagt Verbund-Sprecher Werner Fuhrmann.
Er verweist auf die bisherigen Leistungen der Bildungsträger, die seit 1983 Maßnahmen für Arbeitslose unter dem Motto „Gut für Bochum“ organisierten. Zurzeit würden für etwa 400 Langzeitarbeitslose Beschäftigungsmaßnahmen angeboten – im Secondhand- oder Recyclingbereich, in der Förderung eines umweltverträglichen Nahverkehrs oder in der Unterstützung von kleinen sozialen Organisationen. Das decke fast 90 Prozent der Arbeit mit Langzeitarbeitslosen ab, so Fuhrmann.
Dass nun die Stadt im Zusammenhang mit der Gafög auf deren „beträchtliche Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der kommunalen Familie“, wie es in einer Verwaltungsmitteilung heißt, verweist, kontert Fuhrmann mit dem Hinweis, auch die Bochumer Beschäftigungsträger verfügten ihrerseits über „langfristige Erfahrungen in der administrativen und operativen Umsetzung öffentlicher Beschäftigungsmaßnahmen“. Will sagen: Warum in die Nachbarschaft gehen, wenn die Kompetenz vor Ort vorhanden ist?
Furcht vor auswärtiger Konkurrenz
Weil Bochum das neue Instrument zur Förderung von Langzeitarbeitslosen für die Stadtverwaltung und alle Stadttöchter, also dem gesamten „Konzern Bochum“, nutzen will, heißt es in der Verwaltung. Und weil der Einstieg in die Gafög eine schnelle Lösung biete. Die wiederum für die Bochumer Bildungsträger Folgen haben könnte. Durch das neue Bundesprogramm hatten diese vor, insgesamt 295 Stellen einzurichten. „Sollten bei der Stadt 130 Stellen eingerichtet werden, würden bei den Trägern diese Stellen entfallen“, sagt Werner Fuhrmann. Er weist darauf hin, dass die Mittel nicht mehr Stellen für Langzeitarbeitslose bedeuten würden, sondern lediglich andere Förderprogramme ersetzten. „Deshalb fürchten wir Träger bei einer zusätzlichen auswärtigen Konkurrenz um die bestehenden Projekte und Arbeitsplätze.“
Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales beschäftigt sich heute mit dem Thema. Ende November soll der Rat über die Beteiligung an der Gafög entscheiden. Er hatte im Vorjahr die Einrichtung einer kommunalen Beschäftigungsgesellschaft beschlossen und sie später als eine von 25 Kernaktivitäten der Bochum-Strategie verabschiedet.