Bochum. Bei den „Kassierern“ in der Zeche zeigte Frontmann Wolfgang „Wölfi“ Wendland deutliche Verschleißerscheinungen. Die Stimmung war trotzdem top.
Die Ikone wankt. Und das liegt mutmaßlich nicht nur an der obligatorischen Pulle Fiege in der Pranke. So inbrünstig Wolfgang Wendland von den „Kassierer“-Fans verehrt wird, so unverkennbar sind die Verschleißerscheinungen, die der 55-Jährige als Frontmann der Punk-Urgesteine zeigt. In der voll besetzten Zeche brachte „Wölfi“ am Mittwoch das 90-minütige Heimspiel mehr schlecht als recht über die Bühne.
Das Schauspiel mutet anarchisch an. Mannsbilder zwischen 20 und 60, die in der Regel alles andere als zum Prekariat zählen, beamen sich für einen Abend in eine hochprozentige Parallelwelt. Outlaws für den Augenblick. Text- und trinkfest. Gern skandiertes Motto: „Saufen, saufen, jeden Tag nur saufen!“, wahlweise „Arbeit ist Scheiße!“.
Master of Desaster ist Wölfi Wendland. Der Musiker, Filmemacher und Politiker (Bürgermeisterkandidat 2015, Kanzlerkandidat der Pogo-Partei) hat das Leben am gesellschaftlichen Abgrund zur Kunstform erhoben. Intoniert wird es seit über 30 Jahren von den „Kassierern“, die es mit Klassikern wie „Blumenkohl am Pillemann“ oder „Sex mit dem Sozialarbeiter“ (weitere Titel sind hier nicht zitierfähig) zu bundesweiter Popularität gebracht haben.
Schrille Punkband des Ruhrgebiets
Doch der Zahn der Zeit nagt an den „Vier Weisen aus Wattenscheid“; vor allem an ihrem Anführer, der in der Zeche nicht nur gegen eine Erkältung ankämpfte. Wendlands Gesangskünste sind von jeher höchst überschaubar. Doch immer häufiger muss er die Songtexte vom Zettel ablesen, komplette Aussetzer inklusive. Mitunter wirkt er abwesend, apathisch. Die Band muss mehrfach Schützenhilfe leisten. Selbst dem kultigen Nackigmachen, von den Anhängern mehrfach lauthals eingefordert, verweigert sich die Pott-Punk-Pocke und belässt es beim Oben-ohne-Auftritt.
Die Fans, sie feiern trotzdem. Die wohl schrillste Punkband des Ruhrgebiets. Und sich selbst. „Schlimm, wie Wölfi abbaut“, meint Joshua (35), grölt aber sogleich den größten „Kassierer“-Hit: „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist.“ Das ist in der Zeche nicht zu befürchten.