Bochum. . Dialysepatienten und Nierentransplantierte müssen ihren Alltag gut planen. In der Selbsthilfegruppe unterstützen sie sich gegenseitig.
Der Anruf kam spät am Abend im Jahr 2004. Martin wollte Fußball gucken – Deutschland mühte sich gerade in der Gruppenphase der EM gegen Tschechien ab. Der Satz am Ende der Leitung ließ ihn mehr jubeln als jedes Tor. „Wir haben ein Organ für Sie, kommen Sie so schnell es geht“, hieß es. Viel Zeit zum Nachdenken hatte er nicht.
„Als ich wieder aufwachte, hatte ich schon eine neue Niere“, erinnert sich der 52-Jährige, der durch eine Autoimmunkrankheit zum Dialysepatient wurde. Deutschland verlor an diesem Abend, für Martin war er ein Hauptgewinn. „Ich habe eine ‚full-house‘-Niere bekommen – selbe Blutgruppe und sechs übereinstimmende Gewebemerkmale.“ Über den Spender wisse er nicht viel, nur: „Die Niere kam aus Belgien.“
Transplantation ist keine Garantie für Gesundheit
Martin ermöglicht die transplantierte Niere heute ein Leben ohne Dialyse. Aber: Dass eine Transplantation keine Garantie für Gesundheit ist, zeigt Christines Fall. Die 63-Jährige kommt frisch von der Dialyse zur Selbsthilfegruppe. Dreimal pro Woche für vier Stunden am Stück steht das Blutreinigungsverfahren auf dem Terminplan. „Wie ein Halbtagsjob“, sagt sie. Bei Christine war die Nierentransplantation nicht erfolgreich. Sie besitzt drei Nieren, keine davon arbeitet. „Mich begleitet die Dialyse seit 20 Jahren. Man büßt viel Spontaneität ein, aber das ist alles eine Sache der Planung“, sagt sie. Es gebe sogar Urlaubsdialyseplätze und spezielle Kreuzfahrtschiffe.
Urlaub ist ein Thema, das Dialysepatienten besonders beschäftigt. Was, wenn ausgerechnet während der Zeit im Ausland ein Spenderorgan kommt? „So etwas besprechen wir in der Gruppe, ein Mitglied konnten wir zu einem Kreta-Urlaub ermutigen“, freut sich Martin. Die Gruppe ist auch Ort des Austausches über Ärzte, Therapieerfahrungen und medizinische Erkenntnisse. „Ich habe einen anderen Blickwinkel gesucht und ihn hier gefunden“, sagt Christa, die zum Zeitpunkt ihres Nierenversagens nur knapp dem Tod entging. Auch Ehemann Dieter ist dabei, denn die Gruppe ist ebenso offen für Angehörige.
Sieben bis acht Jahre Wartezeit
Zu den Stammtischen, die alle zwei Monate stattfinden und oft mit Expertenvorträgen starten, kommen meist 15 Aktive. „Die Vorträge thematisieren etwa Herz-Kreislauf-Probleme bei Nierenkranken oder Ernährung“, sagt Christa. Stets gehe sie mit einem Erkenntniszuwachs nach Hause.
Ehrenamtliche Ansprechpartner für Mitpatienten
Die Selbsthilfegruppe der Dialysepatienten und Nierentransplantierten Bochum zählt mehr als 70 Mitglieder – etwa 15 sind aktiv.
Zu den Aktivitäten der Gruppen gehört nicht nur der Erfahrungsaustausch, sondern auch Ausflüge, Feiern, Öffentlichkeitsarbeit und der rege Kontakt zu Transplantations- und Dialysezentren.
Die Selbsthilfegruppe kooperiert mit dem Projekt „Patientenbegleiter“, das chronisch Nierenkranke und Angehörige zu ehrenamtlichen Ansprechpartnern für Mitpatienten ausbildet.
Kontakt zur Gruppe: telefonisch unter 0175/ 425 99 41, per Mail an info@shg-bochum.de oder online auf der Seite www.shg-bochum.de
Manche Transplantierte geben ihrer neuen Niere einen Namen, feiern sogar ihren ‚Geburtstag‘. Die Wartezeit auf ein neues Organ beträgt im Schnitt sieben bis acht Jahre. Martin handhabt es so: „Ich trage Dankbarkeit in mir, dass der Spender Leben retten wollte.“ Ansonsten sei das Organ einfach ein Teil von ihm geworden.
Spendenbereitschaft sollte auf die Krankenkassenkarte
Die Gespräche bei den Treffen sind vielfältig: Fragen wie „Wie sind die Blutwerte?“, „Wie hat sich der Freundeskreis verändert?“ und „Wie eingeschränkt ist die Trinkmenge?“, gehören ebenso dazu wie „Ist ein Arzt zu empfehlen?“, „Was für Ausflüge kann man sonntags – am dialysefreien Tag – machen?“ und „Wie kann man Organspende in der Gesellschaft attraktiver machen?“
Zum Organspende-Ausweis meint Martin: „Ein Ausweis in der Schublade bringt nicht viel, es braucht den direkten Austausch mit Angehörigen. Es wäre gut, die Spendenbereitschaft auf der Krankenkassenkarte zu speichern.“