Bochum. . Selbsthilfegruppe tauscht Erfahrungen und Infos zur Behandlung und deren Nebenwirkungen aus. Auch Themen wie Inkontinenz kommen auf den Tisch.
Als sie ihm sagten, er solle in der Mittagspause zum Gespräch in die Praxis kommen, da wusste Markus es schon. Ein bisschen Hoffnung war noch da, dass es sich nur um eine Entzündung handeln könnte, aber die Diagnose war eindeutig: Prostatakrebs.
„Ein Schock“, sagt der 47-Jährige, bei dem die Diagnose zwei Jahre zurückliegt. Burkhard ging es ähnlich: „Als ich meine Frau zum Termin mitbringen sollte, ahnte ich es. Mein Vater ist an Prostatakrebs verstorben, das hat mir Angst bereitet.“ Das Tückische bei Prostatakrebs: „Man hat im Regelfall keine Beschwerden“, sagt Klaus.
Nicht immer muss operiert werden
Bei den meisten gab eine Vorsorgeuntersuchung beim Urologen Aufschluss. „Der Arzt macht eine Tastuntersuchung. Wenn er eine verhärtete Stelle spürt, können Ultraschall, Biopsie und Blutuntersuchung folgen“, erläutert Hermann. Die Blutuntersuchung liefere den PSA-Wert, das prostataspezifische Antigen, das nur von Prostatazellen gebildet wird. „Daran erkennt man auch, ob der Krebs gewachsen ist oder zurückkommt“, sagt Markus.
Behandlung und Nebenwirkungen bei Prostatakrebs sind von Fall zu Fall unterschiedlich, häufig kommt die Strahlentherapie zum Einsatz. „Ob die Prostata operativ entfernt wird, hängt vom Befund, Alter und persönlichen Vorlieben ab“, sagt Burkhard. Er hat sich für eine OP entschieden, Hermann wird mit einer Hormonentzugstherapie behandelt.
Gespräche helfen den Betroffenen
„Männer wollen möglichst wenig Probleme haben“, gibt Burkhard zu. Der Besuch der Selbsthilfegruppe lohne sich aber mehrfach: „Wir tauschen Erfahrungen aus und informieren über die Krankheit, ihre Behandlung und Nebenwirkungen“, sagt Werner. „Das hat bei mir Ängste abgebaut, weil ich so wusste, was auf mich zukommen kann“, sagt Markus.
Die Gruppe nimmt kein Blatt vor den Mund: Über Ernährung und Testament wird ebenso gesprochen wie über Impotenz und Inkontinenz. „Manche Themen sind schambesetzt“, gesteht Markus. Die Inkontinenz nach der OP, das ständige Ausschauhalten nach einem Klo und die schwächere Erektion haben an seinem Selbstbewusstsein genagt. Sein Rezept: „Darüber reden.“ Das sei das einzig Hilfreiche. Seine Partnerin habe sehr verständnisvoll reagiert und auch im Arbeitsumfeld habe es keine negativen Reaktionen gegeben.
Auch Hermann musste erst lernen zu akzeptieren, dass durch die Hormonentzugstherapie seine Brüste wachsen. „Bei mir ist mit 77 das Thema Sexualität ohnehin ausgestanden“, sagt er und lacht.
Zum kundigen Patienten werden
Bei Burkhard war Inkontinenz kein Thema, daher betont er: „Prostatakrebs ist sehr individuell. Die Kliniken sind ehrlicher geworden, was mögliche Nebenwirkungen betrifft.“ Als sein Arzt ihm nach der OP sagte, es sei „alles ok“, sein PSA-Wert aber wieder steil nach oben ging, suchte er den Weg in die Selbsthilfegruppe. „Wir machen uns zum kundigen Patienten und geben Entscheidungshilfen.“
Kontakt zur Gruppe telefonisch oder per Mail
Bei jedem sechsten Mann über 50 Jahre wird heute Prostatakrebs festgestellt. Vier von fünf Betroffenen sterben aber nicht daran, denn häufig hat Prostatakrebs einen günstigen Verlauf.
Die Vorsorgeuntersuchung beim Urologen wird Männern ab 42 empfohlen.
Die örtliche Selbsthilfegruppe (Bochum/Herne) ist Mitglied im Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. Die Termine der monatlichen Treffen sind unter www.bochumer-prostatakrebs-shg.de einsehbar.
Eine Kontaktaufnahme ist unter der Nummer 0234/ 38 10 07 oder per Mail an info@bochumer-prostatakrebs-shg.de möglich.
Zu den monatlichen Treffen kommen oft mehr als zehn Betroffene, im Gepäck haben sie Fragen wie: „Warum habe gerade ich Prostatakrebs?“ oder „Wie gehe ich mit den Nebenwirkungen um?“. Dazu lädt die Gruppe regelmäßig externe Experten ein. „Es ist die häufigste Krebsart bei Männern“, sagt Burkhard.
Den öffentlichen Umgang mit Brustkrebs, der als „typischer Frauenkrebs“ gilt, wollen die Männer sich daher zum Vorbild nehmen. „Offenes Ansprechen und Aufklärung sind das A und O“, sagt Klaus.
Urologe Dr. Peter Bach im Interview: Prostatakrebs kann im Frühstadium symptomfrei verlaufen
Dr. Bach, die Prostata ist ein Organ, das nur Männer haben. Wofür ist die Prostata zuständig?
Dr. Bach: Die Prostata, die auch Vorsteherdrüse genannt wird, ist eine kleine Drüse unter der Blase. Sie ist etwa so groß wie eine Kastanie. Die Prostata ist durch die Sekretion von Nährstoffen für die Fertilität am Fortpflanzungsprozess beteiligt und bildet mit der prostatischen Harnröhre einen Anteil an den ableitenden Harnwegen.
In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 65 000 Männer an Prostatakrebs, bei mehr als 12 000 führt die Krankheit zum Tod. Wie macht sich der Krebs bemerkbar?
Prostatakrebs in einer frühen Form muss zu keinerlei Symptomen führen, kann aber in einem fortgeschrittenen Stadium durch Knochenschmerzen oder durch Beschwerden beim Wasserlassen auffällig werden.
In der Früherkennung von Prostatakrebs spielen eine einfache Tastuntersuchung, Ultraschall und/oder MRT-Untersuchungen und der PSA-Wert eine wesentliche Rolle. Vorsorge ist daher besonders wichtig.
Prostatakrebs hat relativ gute Heilungschancen. Wenn der Krebs langsam wächst, behandelt man bei sehr alten Patienten oft gar nicht mehr. Hat sich in den letzten Jahren bei der Behandlung von Prostatakrebs etwas geändert?
In den letzten Jahrzehnten wurde die operative und strahlentherapeutische Therapie verändert und optimiert, um bessere Ergebnisse für Tumorfreiheitsraten zu erzielen. Das betrifft beispielsweise sogenannte Großflächenschnellschnittuntersuchungen – Untersuchungen von Gewebeproben während einer noch laufenden Operation.
Auch roboter-assistierte OPs sind auf dem Vormarsch. Außerdem konnten sechs medikamentöse Therapien für die Behandlung von fortgeschrittenen Prostatakrebs-Stadien etabliert werden, um die Lebensqualität von Prostatakrebs Patienten zu verbessern.
Wieso kann Selbsthilfe aus Ihrer Sicht bei Prostatakrebs sinnvoll sein?
Leider zeigen sich weiterhin unterschiedliche Einschränkungen der Lebensqualität von Prostatakrebs Patienten, da die Differenzierung, Ausbreitung und Nebenwirkungsprofile von Patient zu Patient sehr verschieden sind.
Genau hier setzt die Arbeit der agilen und etablierten Selbsthilfegruppen in Bochum und Herne an: Informationen und Austausch von Betroffenen in einem sympathischen Rahmen.