Bochum. . Nach ihrer Flucht aus Syrien fand Nahed Al Essa in Bochum eine neue Heimat. Die Schriftstellerin möchte bald auch auf Deutsch schreiben.

2016 kam Nahed Al Essa als Flüchtling aus Syrien nach Bochum, zwei kleine Kinder, null Deutschkenntnisse. In den letzten Monaten hat sich allerhand getan im Leben der alleinerziehenden Mutter. Die Kinder besuchen die Grundschule in Linden und Nahed arbeitet zielstrebig daran, ihren Traum wahr werden zu lassen und Schriftstellerin zu werden. Die WAZ sprach mit der 34-Jährigen über ihr Leben in zwei Welten und in zwei Sprachen.

Ihr erster Roman heißt „Ein verpasster Anruf“. Was hat es damit auf sich?

Das Buch habe ich noch in Damaskus begonnen, und es nach meiner Flucht in Deutschland zu Ende geschrieben. Es ist auf Arabisch verfasst und erscheint in einem renommierten Verlag in Beirut, es wurde in mehreren arabischsprachigen Ländern veröffentlicht. Die Resonanz ist gut, das Buch verkauft sich.

Wovon handelt es?

„Ein verpasster Anruf“ spielt in Damaskus und erzählt von Freundschaft, Familie, Krieg – und Liebe. Natürlich spielt der Krieg eine zentrale Rolle, weil er das Leben aller Menschen in Syrien betrifft. Niemand kann davon unberührt bleiben. Damaskus ist eine Millionenstadt, und wenn man downtown ist, könnte man meinen, alles sei „ganz normal“. Aber je weiter man in die Vorstädte kommt, desto schrecklicher wird es: zerstörte Häuser und Straßen, Menschen auf der Flucht, das Krachen von Bomben...

Ausbildung als Physiotherapeutin

„Integration bedeutet für mich, meinen geliebten arabischen Kaffee mit meinem deutschen Bekanntenkreis zu trinken“, sagt Nahed Al Essa. Integration bedeutet für sie, „dass ich und meine Kinder nicht am Rand der deutschen Gesellschaft leben, sondern im Herzen dieser Gesellschaft“.

13 Jahre hat sie in Damaskus als Physiotherapeutin gearbeitet; auch in Deutschland würde sie gern einen Job finden: „Von Kunst allein kann man ja nicht leben.“ Über die Anerkennung ihrer syrischen Zeugnisse wird zurzeit in Düsseldorf beraten.

Sie sind über Istanbul und dann übers Mittelmeer bis nach Deutschland gelangt, haben also selbst allerhand mitgemacht. Wie wirkt sich das auf Ihr Schreiben aus?

Die Flucht und alles, was ich in meinem Kopf damit verbinde, wird wohl immer das zentrale Thema meines Lebens sein. Vielleicht kann ich in Zukunft darüber schreiben, literarisch schreiben. Im Moment sind die Eindrücke noch zu frisch.

Sie suchen gerade einen Verleger für Ihr Buch, der es übersetzen lassen und auf Deutsch herausbringen würde.

Ja, aber das ist schwierig. Ich stehe am Anfang der Suche. Zunächst möchte ich mich erst einmal bekannter machen. Letzte Woche waren mein Roman und ich Gäste an der Ruhr-Uni in einem germanistischen Seminar von Professor Ralf Köhnen. Das war auch wegen des Gesprächs mit den Studierenden hinterher ein schönes Erlebnis. Nette Gastgeber.

Sie sprechen sehr gut Deutsch, wollen Sie auch auf Deutsch schreiben?

Das habe ich vor, aber auch das braucht noch Zeit. Ich denke auf Arabisch, und ich denke von rechts nach links, so wie die Schrift verläuft. Nun muss ich lernen, „auf Deutsch“ und „von links nach rechts“ zu denken. Und ich brauche einen viel größeren Wortschatz, um klarer zu formulieren und auch, um länger schreiben zu können. Kurzgeschichten und Gedichte möchte ich gern ausprobieren. Auch sie werden von Liebe handeln.

Wie nähern Sie sich der Sprache an?

Indem ich viel lese, deutsche Übersetzungen. Zuletzt Rafik Schamis „Eine Handvoll Sterne“ und Guillaume Mussos „Et après“, auf Deutsch als „Ein Engel im Winter“ erschienen. Auch die Bücher von Isabel Allende gefallen mir.