Hamme. . Gottesacker an der Lohstraße: Zwischen zugewucherten Freiflächen und sorgsam gepflegten Grabstätten. Unerklärlich für Besucher und Angehörige.

Gut 60 Jahre kennt Inge Kickuth die Ecke, vor allem den Friedhof Hamme zwischen Wanner Straße und Lohstraße, sie nimmt den Eingang vom Friedensgrund. Aber gleichgültig, welchen Weg sie wählt, nach einigen Metern beginnt das „Niemandsland“. Die Wiesen und Freiflächen präsentieren sich nicht nur nicht gepflegt, sondern naturbelassen, oder schlicht: zugewuchert.

„Wohl 20 Jahre“, erinnert sie sich, ist der Friedhof förmlich aufgegeben, wird also nicht mehr neu belegt. Die Nutzungsberechtigten der Grabstätten dürfen Angehörige sehr wohl weiter hier bestatten lassen. Das hat auch die inzwischen 84-Jährige genutzt, als ihr Mann vor acht Jahren starb.

Schon damals allerdings verzichtete sie ausdrücklich darauf, die Trauerfeier hier in Hamme durchführen zu lassen, die Halle war ihr nicht nur zu winzig, vor allem aber auch schon zu schäbig. Sie wich auf die Friedenskirche in Stahlhausen aus.

„Wir haben keine Leute für die Pflege“

Und sogar im vergangenen Jahr wurde der Friedhof noch zur Beerdigung genutzt, wie sich auf dem Gedenkstein der großzügigen Gruft einer bekannten Hammer Familie zeigt. Inge Kickuth hat sich bei der Stadtverwaltung durchgefragt, „und am Ende hieß es nur: Wir haben keine Leute für die Pflege“, als sie sich beklagte, dass etwa die Hälfte der gesamten Anlage regelrecht zuwächst. Dafür präsentieren sich auf einigen der verbliebenen, nicht eingeebneten Gruften und Grabstätten die eingesteckten Hinweisschilder: „Diese Grabstätte ist nicht gepflegt“, mit dem Hinweis, dass die Nutzungsrechte eingezogen werden können, wenn diesem Zustand nicht abgeholfen werde.

Letzte Ruhestätte des Gemeindepfarrers Moritz Lohe

Das Grabmal des ersten Pfarrers von Hamme, Moritz Lohe, Ortsgeistlicher von 1889 bis 1907, mit gut erhaltener lateinischer Inschrift. Und Kulisse.
Das Grabmal des ersten Pfarrers von Hamme, Moritz Lohe, Ortsgeistlicher von 1889 bis 1907, mit gut erhaltener lateinischer Inschrift. Und Kulisse. © Gero Helm

Schlagwetter auf Carolinenglück

Ein Gedenkstein erinnert auf dem Friedhof an das Unglück auf der Zeche Vereinigte Carolinenglück. Der Malakowturm ist einer der wenigen erhaltenen. Die Zeche stieß als eine der ersten im Ruhrgebiet durch die Mergeldecke.

Die Explosion (17.2.1898) war das bis dato schwerste Unglück im Ruhrbergbau. Bis 1870 hieß die Zeche Glückauf, Ironie der Geschichte.

Dabei ist der Friedhof nicht irgendeiner. Hier ist die letzte Ruhestätte des ersten Hammer Gemeindepfarrers Moritz Lohe, hier steht seit 1987 das Denkmal der Bezirksvertretung Mitte für die Opfer des Unglücks auf Carolinenglück.

Der Friedhof soll ein Ort der Begegnung bleiben

Im Begleittext der „Expedition Hamme“, die kürzlich mit einem Aktionstag an die Öffentlichkeit ging, heißt es interessanterweise zum Friedhof Hamme: „Ein Mitmachpark soll entstehen. Der Friedhof soll ein Ort der Begegnung bleiben, jedoch verschiebt sich der Fokus von Trauer auf eine gemeinsam aktiv verbrachte Zeit. Derzeit entsteht ein ‚gemischter‘ Eindruck beim Betreten der Ruhestätte: Es gibt noch sehr gepflegte Gräber, die aber in immer lichteren Reihen stehen und wie Relikte einer vergangenen Zeit wirken.“

Dies ist zumindest den Nutzungsberechtigten anscheinend nicht weitergegeben worden.

Eine Stellungnahme der Friedhofsverwaltung steht noch aus.