Bochum. . 3880 Mal haben die Stadtwerke Bochum 2017 wegen ausstehender Rechnungen den Strom abgestellt. Linksfraktion fordert Einführung eines Sozialtarifs.

Ein Griff zum Schalter. Klick. Und schon springt der Herd an, leuchtet die Lampe, rotiert die elektrische Zahnbürste. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Immer öfter aber geschieht in Bochumer Haushalten beim Betätigen des Stromschalters nichts.

Im Vorjahr haben die Stadtwerke bei 3880 Anschlüssen den Strom abgedreht, weil die Betroffenen ihre Rechnungen nicht bezahlt haben. Seit 2012 (2501) ist die Zahl der Sperren um 81 Prozent gestiegen, seit 2007 (1379) hat sie sich sogar fast verdreifacht.

Linke beantragen Sozialtarif

Aus Sicht der Linksfraktion im Rat ist das ein Zeichen zunehmender Armut und sozialer Spaltung. In der Ratssitzung am Donnerstag (7.) will sie die Einführung eines Sozialtarifs für Strom und Gas sowie den Verzicht auf Strom- und Gassperren bei den Stadtwerken beantragen.

Die Teilnahme Bochums am Projekt „NRW bekämpft Energiearmut“ bezeichnen die Linken als gescheitert. Zugleich üben sie Kritik an den Stadtwerken. Deren Aussagen, sie würden überaus erfolgreich mit dem Jobcenter und dem Sozialamt kooperieren, um Stromsperren zu verhindern, sei, so Gültaze Aksevi, Vorsitzende der Linksfraktion, „angesichts des erneuten Anstiegs ein Witz“.

Stadtwerke bieten kostenlose Energieberatung an

Ein Vorwurf, den Stadtwerke-Sprecher Kai Krischnak zurückweist. Nicht zuletzt durch die gute Kooperation mit Jobcenter, Verbraucherzentrale und Caritas würden die Stromsperren in 60 Prozent der Fälle innerhalb eines Werktages und in weiteren 25 Prozent binnen fünf Tagen aufgehoben.“

Zuvor bemühe sich der Energieversorger auch allein im Gespräch mit von Stromsperren betroffenen Kunden um Lösungen, seit mehr als 20 Jahren biete er zudem eine kostenlose Energieberatung an.

Krischnak: „Leider ist es so, dass häufig erst im Fall von Sperren oder angedrohten Sperren die Rechnungen beglichen werden.“ Dabei gehe es um Forderungen von insgesamt 1,2 Millionen Euro.

Mahnung weist auf Stromsperre hin

Der Energieversorger erinnert bei ausstehenden Beträgen von mehr als 100 Euro per Mahnung und weist auf eine Sperrung für den Fall hin, dass die Rechnung nicht binnen 28 Tagen beglichen wird. Fünf Tage vor der Sperrung erhalten die Kunden dann eine Ankündigung der Maßnahme.

Bei der Verbraucherzentrale Bochum haben 474 Stromkunden seit 2013 Gebrauch von dem Angebot im Rahmen des Projekts „NRW bekämpft Energiearmut“ gemacht. „Wir beschäftigen uns außerdem intensiv mit der Prävention“, sagt Taika Brandenburg, Fachberaterin für Energiearmut.

Die Gründe für offene Energierechnungen seien vielfältig. Sie reichten von Ver- und Überschuldung der Verbraucher über hohe Verbräuche bis hin zu „fehlender Finanzkompetenz“.

Vier Wochen ohne Strom

Zehn Prozent der betroffenen Haushalte müssen nach der Sperrung ihres Anschlusses zwischen einer und vier Wochen ohne Strom leben. Das, so die Linksfraktion, sei die Auskunft der Stadtverwaltung.

In fünf Prozent der Fälle dauert die Sperrung sogar länger als vier Wochen oder führt am Ende zu einer Abmeldung, etwa bei einem Auszug.