Bochum. . Enactus-Gruppe der Ruhr-Universität engagiert sich für Menschen auf der ganzen Welt. Auch an einem der verseuchtesten Orte der Welt.

Brennende Müllberge zwischen tonnenweise Elektroschrott. Das Atmen fällt schwer, der dicke schwarze Qualm brennt in den Lungen, der Schwefel in den Augen. In Ghanas Hauptstadt Accra, im Stadtteil Agbogbloshie, liegt eine der größten Müllhalden für Elektroschrott weltweit. Gleichzeitig ist sie einer der größten und gefährlichsten Arbeitsplätze Afrikas. Manche nennen diesen Ort die Hölle auf Erden. Definitiv aber ist es einer der verseuchtesten Orte der Welt. Mittendrin stehen zwei Studenten der Ruhr-Universität Bochum. Sie wollen mit einem Projekt Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

Annika Ludes (l.)  und Patrick Spreer betreuen das Enactus-Projekt der Ruhr-Universität in Afrika.
Annika Ludes (l.) und Patrick Spreer betreuen das Enactus-Projekt der Ruhr-Universität in Afrika.

Auf einem Platz neben der Müllhalde soll ein kleiner Teil des Elektroschrotts fachgerecht recycelt statt am offenen Feuer geschmolzen und verbrannt werden, um an die wertvollen Edelmetalle zu kommen. Sechs Menschen sollen dadurch feste und sichere Arbeit erhalten. „Wir wollen bessere Arbeits- und Umweltbedingungen schaffen, außerdem durch fairen Export eine gerechte Bezahlung sichern“, sagt Annika Ludes. Sie hat sich mit Patrick Spreer die Bedingungen vor Ort angeschaut: „Wir haben erschreckende Bilder gesehen und wollen ein Bewusstsein schaffen. Natürlich können wir nicht die ganze Halde beeinflussen. Aber wenn die Leute merken, dass es im Kleinen funktioniert, kann man diese Lösung auch größer umsetzen. Und jeden, den wir von der Halde weg bekommen, ist ein Gewinn.“

Ludes ist eine von neun Bochumer Studenten, die sich im Projekt „Agbocycle“ engagieren. Sie alle gehören zur Enactus-Gruppe der Ruhr-Universität, einer gemeinnützigen Organisation. Sie wurde 1975 als „SIFE“, Students In Free Enterprise, Studierende für die freie Marktwirtschaft, in den USA gegründet. Mittlerweile macht sie durch studentische Projekte weltweit auf sich aufmerksam. Enactus steht für „Entrepreneurial Action for others creates a better world for us all“. Der Name ist Programm. Die Studenten bilden Projektgruppen, um in ärmeren Ländern Unternehmen zu initiieren, die sich später selbst tragen und den Menschen vor Ort helfen, bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu schaffen.

Arbeit ist komplett ehrenamtlich

„Wir wollen Projekte starten, die wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltig sind“, sagt Maximilian Ruschmeier, Leiter der 70 Studenten fassenden Bochumer Enactus-Gruppe. „Wir bauen mit den Menschen Geschäftsmodelle auf und geben ihnen ein Businessmodell an die Hand. Wir wollen unternehmerisch die Welt im Kleinen verbessern.“ Die Studenten arbeiten komplett ehrenamtlich und profitieren nicht vom Gewinn. Sie sind nur die Initiatoren.

77 000 Studenten sind weltweit in 36 Ländern für Enactus im Einsatz

Weltweit sind rund 77 000 Studenten in 36 Ländern für Enactus im Einsatz. Sie starten jährlich 4100 Projekte und leisten 7 Millionen ehrenamtliche Arbeitsstunden. In Deutschland gibt es an 36 Universitäten Enactus-Gruppen. Das Team an der Ruhr-Uni ist mit 70 aktiven Studenten eines der größten hierzulande.

In Bochum wird zurzeit an sechs Projekten gearbeitet: Agbocycle, Gaia (baut ein Gewächshaus in Ruanda), Unverpackt (für unverpackten Lebensmittelverkauf), Faces (recycelbare Portemonnaies von Flüchtlingen gefertigt), Soapstar (Verkauf und Vergabe von Seife in Tansania), Plastik-Recycling (in Deutschland). Aktuell können nur Studenten teilnehmen, eine Alumni-Gruppe wird aufgebaut.

Für das „Agbocycle“-Projekt wurde Enactus für den Greentec Award nominiert, Europas größter Nachhaltigkeitspreis. Die Verleihung findet im Mai statt. Alle Informationen gibt es im Internet unter: rub.enactus.de.

Das Projekt „Agbocycle“ ist eines von aktuell sechs an der Ruhr-Uni und steht kurz vor der Verwirklichung. Im März wurde vor Ort in Ghana ein weiterer Schritt gemacht. Die Firma wurde von einem afrikanischen Partner gegründet, erste potenzielle Arbeiter wurden gesichtet. Auch ein Partner in Deutschland, der den Elektroschrott übernimmt und für die Arbeiter in Accra Recycling-Schulungen anbietet, wurde mit Elorec bereits gefunden. Im Sommer soll das Projekt umgesetzt, Ende des Jahres der erste Container verschifft werden, zu fairen Bedingungen. In Accra warten die Menschen schon sehnsüchtig darauf, wie Spreer berichtet. „Die Leute brauchen dringend Hilfe, besser heute als morgen. Wir hoffen, wir können so etwas anstoßen.“